Persönlich

Zwei Alumni, ein Haushalt und zig Gegensätze

Malolo Kessler

Tamara und Thomas Bosshard haben zeitgleich Betriebsökonomie an der FHS studiert. Begegnet sind sie sich erst Jahre später. Heute verbindet die beiden Alumni die Leidenschaft fürs Unternehmertum und ein Ehering. 

Mit einer Reklamation, Flip-Flops und einem Wurst-Käse-Salat: So beginnt die Geschichte von Tamara Roderer und Thomas Bosshard. Es ist eine Geschichte, die keine klassische Liebesgeschichte ist. Eine, bei der zu Beginn einiges schiefläuft. Sieben Jahre nach ihrem ersten Treffen erzählen die beiden FHS-Alumni, was sie zusammengeführt hat und welche Erinnerungen sie ans Studium haben. Dort, wo sie sich zum ersten Mal getroffen und später auch geheiratet haben: in der Lok­remise St.Gallen, bei einem Kaffee. 

Verkuppelt vom Dozenten

Das Alumni-Paar hat sich bei der Eröffnung des Fachhochschulzentrums im Sommer 2013 zum ersten Mal getroffen. Ihr Studium in Betriebsökonomie hatten beide damals schon länger abgeschlossen, fast zeitgleich und ohne sich jemals gesehen zu haben. «­Thomas war eben eher weniger oft anwesend gewesen», sagt Tamara Bosshard, lacht. Am Anlass in der Lokremise wurden die beiden von FHS-Dozent Walter Hagmann einander vorgestellt und fanden rasch heraus, dass sie indirekt schon einmal miteinander zu tun gehabt hatten. Thomas Bosshard hatte zuvor mit seinem Unternehmen einen Wirtschaftspreis gewonnen, eine Weiter­bildung am KMU-Institut der HSG, an dem Tamara Bosshard damals arbeitete. Sie fragte ihn also an diesem Tag in der Lokremise, wie die Weiterbildung war – und er liess kein gutes Haar daran. Überhaupt nicht. «Was mir gar nicht passte und mir keine Ruhe liess», erzählt Tamara Bosshard. ­Wegen der Reklamation nahm sie Tage später Kontakt mit ihm auf, sie verabredeten sich zu einem Spaziergang bei den Drei Weieren. «Er, der Unternehmer, den ich nur in Schale kannte, kam in Flipflops, mit kurzen Hosen. Und ich viel schicker», erzählt Tamara Bosshard. 

Und es ging so unglücklich weiter: Eine Frau mit Hund spazierte an den beiden vorbei, Thomas Bosshard sagte, er möge keine Menschen mit ­Hunden. ­Tamara Bosshard dachte an ­ihren Hund Diego, den sie daheim gelassen hatte. Im «Scheitlinsbüchel» kehrten sie ein, Tamara Bosshard bestellte einen Salat und ein Rivella Blau und sagte, sie trinke keinen Alkohol. ­Thomas Bosshard dachte: «Ja, bravo» und an den Weinkeller bei sich daheim, während er ein Bier trank und einen grossen Wurst-Käse-Salat ass. Und doch: Irgendwann an diesem Abend im «Scheitlinsbüchel» entdeckten sie eine Gemeinsamkeit: dass beide New York mögen. «Und von da an ging es schnell», sagt Thomas Bosshard. Etwas mehr als acht Monate später machte er ihr in der Metropolitan Opera in New York einen Antrag, 2015 heirateten sie in der Lokremise. Einer der Ehrengäste: FHS-Dozent Walter Hagmann.  

FHS Alumni

Die Ehemaligen-Organisation der FHS St.Gallen ist ein starkes und aktives Netzwerk von rund 3000 Alumni sowie aktuell Studierenden, die untereinander und mit der Hochschule verbunden bleiben. Kontakte pflegen und neue knüpfen, innerhalb des eigenen Fachbereichs sowie interdisziplinär wird mit dem Zusammenschluss zur neuen «OST – Ostschweizer Fachhochschule» per 1. September noch vielfältiger. Die drei Alumni-Organisationen Alumni HSR, Club Alumni NTB und FHS Alumni haben ein gemeinsames Projekt gestartet, wie in der neuen OST das Alumniwesen organisiert werden soll. Wir halten euch auf dem Laufenden!

www.fhsalumni.ch

Es ist eine Geschichte, die keine klassische Liebesgeschichte ist. Eine, bei der zu Beginn einiges schiefläuft.

Die Welt der KMU

Dass sich die beiden nicht früher begegnet sind, ist nicht nur seltsam, weil beide fast zeitgleich dasselbe studierten. Sie bewegten sich auch beide Zeit ihres Lebens in der Ostschweiz. ­Tamara Bosshard ist im St.Galler ­Museumsquartier mit einer Schwester aufgewachsen, besuchte dort die Wirtschaftsmittelschule und begann nach dem Abschluss am KMU-Institut der HSG zu arbeiten. «In diesem Umfeld bekam ich extrem Lust, selbst zu studieren», erzählt sie. «Mich reizte aber das Praxisorientierte an der FHS. Ich bin keine Wissenschaftlerin.» Und so begann sie, zwischen den Hochschulen zu pendeln: Sie arbeitete weiter an der HSG, studierte Betriebsökonomie an der FHS. 

Etwas weniger urban – oder in ­seinen Worten: «in der Pampa» – aufgewachsen ist Thomas Bosshard. Er verbrachte seine Kindheit in der Oberen Hueb in Herisau, gemeinsam mit ­einer Schwester und einem Bruder. «Ich bin mit sehr viel Urvertrauen aufgewachsen, hatte oft Glück im Leben.» Die Welt der KMU war ihm schon damals nah: «Mein Vater erzählte uns beim Znacht immer vom Geschäft, das war spannend.» Thomas Bosshard ging nach einer KV-Lehre mit Berufsmatura ins Militär, schlug sich anschliessend etwa ein Jahr in New York durch, bis ihm das Geld ausging. Wieder in der Ostschweiz zurück, begann er das Studium an der FHS und schloss ein Jahr früher als Tamara Bosshard ab. Seit 2010 führt er gemeinsam mit seinem Bruder das Familienunternehmen, die Oertli In­strumente AG in Berneck. Das KMU mit 200 Mitarbeitenden produziert und vertreibt weltweit Geräte für die Augenchirurgie. Tamara Bosshard wechselte nach 14 Jahren am KMU-Institut als Assistentin des CEO zur Hälg Group, die schweizweit Gebäudetechnikprojekte realisiert. Beide sprechen von sehr fordernden Aufgaben – etwas, das sie eint. Unternehmertum, Weiterbildung, Engagement, Wertschöpfung in der Ostschweiz, das ist ihnen wichtig. Auch auf die Studienzeit schauen sie mit ähnlichen Gefühlen zurück. Für beide steht ausser Frage, dass sie den Alumni angehören. «Ich würde hundert Mal wieder die FHS wählen. Die FHS ist down to earth», sagt Thomas Bosshard, im Appenzeller-Hinterländer-Dialekt, wie so oft gespickt mit Anglizismen. «Das Einzige, was mich rückblickend irritiert hat: Wir wurden stets als angehende Führungskräfte angesprochen. Aber Führung lernt man nicht an einer Hochschule, sondern on the job. You have to earn it.» 

Tamara und Thomas Bosshard in der Lokremise, wo sie sich am Eröffnungsfest der FHS St.Gallen kennenlernten und später heirateten.

Ins Ziel geschafft

Während Tamara und Thomas Bosshard an diesem Nachmittag ihre Geschichte erzählen, könnte nicht deut­licher werden, dass sich in ihrem Fall die redensartlichen Gegensätze anziehen. Sie ist kontrolliert, er extrovertiert. Sie ist im Alltag und im Gespräch strukturiert und gradlinig, er springt hin und her, spricht wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Während er Gas gibt, bremst sie, während sein Glas halb voll ist, ist ihres halb leer. 

Thomas Bosshard sagt, er sei ein «Gadget-­Fuzzi», flog einst Sportflugzeuge, machte eine Weinsommelier­ausbildung, ist Passivsport-Fan und Hobby-Schlagzeuger. Tamara ­Bosshard konzentriert sich darauf, in ihrem Leben die sechs grossen Marathons der Welt zu laufen. Berlin und New York hat sie bereits geschafft. Bei Letzterem ist 2016 auch ihr Ehemann mitge­laufen. «Ich hatte mir gesagt, dass ich seckle, bis ich nicht mehr mag. Das war leider ziemlich bald. Es hat mich fast verrissen – Tamara war ziemlich besorgt, mich  butzt’s   », erzählt Thomas Bosshard. «Er ist auch losgerannt als wäre die Polizei hinter ihm her, nicht sehr durchdacht», ergänzt seine Frau. Beide lachen, wie so oft, er legt den Arm um ihre Schultern. Ins Ziel schafften sie es an ihrem ersten gemeinsamen Marathon trotzdem. Oder gerade deswegen, eben weil sie sich durch ihre Gegensätze ergänzen. 

Ins Ziel schafften sie es an ihrem ersten gemeinsamen Marathon trotz oder gerade dank ihrer Gegensätze.

«Pluralität schafft Kreativität» 

Was die beiden teilen, sind ihre wichtigsten Werte: Toleranz, Freiheit, Grosszügigkeit, Pluralität. «Wir sind beide sehr tolerant, also in Bezug auf Gesellschafts- und Lebensformen. Die ganzen Gender-Themen etwa stehen für uns völlig ausser Frage, Pluralität schafft Kreativität.» Seit dreieinhalb Jahren  wohnen sie in einer Eigentumswohnung in Appenzell. Wobei es ihn schon ein bisschen Überwindung gekostet habe, die Kantonsgrenze ins Innerrhodische zu überwinden, erzählt Tamara Bosshard, beide lachen. «Jetzt ist er der grösste Fan von Appenzell, den es überhaupt gibt.» Und noch etwas Wesentliches hat sich seit dem ersten Spaziergang der beiden auf Drei Weieren geändert: Thomas ­Bosshard mag heute Menschen mit Hunden nicht nur, er ist selbst ein Hundeliebhaber geworden. Diego, der Hund von Tamara Bosshard, ist auch in Appenzell eingezogen.

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