Archivausgabe
Zu Besuch bei Monika Hegi

Mediation statt Rosenkrieg

Lea Müller

Sie und ihr Exmann gehörten vor über 15 Jahren zu den Ersten, die bei einer Scheidung das damals neue gemeinsame Sorgerecht für die Kinder beantragten. Heute informiert, berät und unterstützt Monika Hegi andere Paare, die sich trennen oder scheiden lassen. Die Sozialarbeiterin weiss, wo auf dem Weg zur Einigung Stolpersteine liegen und wie man sie umgehen kann.

Monika Hegi würde ihren drei Töchtern nicht davon abraten, zu heiraten. «Die Ehe ist für mich nicht negativ behaftet», sagt sie. Was keine selbstverständliche Aussage ist. Denn als Trennungs- und Scheidungsberaterin sowie als Mediatorin ist sie täglich mit gescheiterten Ehen, streitenden Paaren und verletzten Gefühlen konfrontiert. Die Statistik zeichnet mit 50 Prozent Scheidungen ein düsteres Bild der Institution Ehe: Auch wenn die meisten Verliebten bei der Hochzeit denken, dass sie mit Sicherheit nicht davon betroffen sein werden, geht rund die Hälfte früher oder später getrennte Wege. Und auch wer einen von Anwälten geführten Rosenkrieg vermeiden will, ist auf dem Weg zur Einigung oft mit Schwierigkeiten konfrontiert. Professionelle Unterstützung erhalten Paare dann unter anderem in Institutionen wie der St.Galler Beratungsstelle für Familien. Monika Hegi empfängt hier täglich Paare zur Beratung und führt zwei bis drei Mediationen pro Woche durch.

Beratung bringt Erleichterung

«Die häufigsten Fragen zur Scheidung oder Trennung drehen sich ums Geld», sagt Monika Hegi. Wie ist die finanzielle Situation nach der Scheidung? Wer zahlt Kinderunterhalt? Wann steht einem Ehegattenunterhalt zu? Die wichtigsten Informationen zu erhalten oder vielleicht erstmals über die eigenen Fragen zu sprechen, ist für viele Beteiligte eine Erleichterung, stellt Monika Hegi in ihren Beratungen fest. «Die Formalitäten stellen oft eine erste grosse Hürde dar.» Wenn diese aber nicht einvernehmlich überwunden werden kann, bietet sie den Paaren eine Mediation an. «Der Vorteil einer freiwilligen Mediation gegenüber einer gerichtlichen Scheidung ist die Nachhaltigkeit», sagt Monika Hegi. Die Lösung werde in einem gemeinsamen Prozess erarbeitet, der das Einverständnis von beiden voraussetze. Unterstützt wird das Paar dabei von einer Co-Leitung: Monika Hegi konzentriert sich auf psychosoziale Aspekte und ihr Kollege auf juristische Fragen. Ziel sei, dass beide Parteien einvernehmlich eine mündliche Vereinbarung treffen oder eine schriftliche Konvention unterschreiben können, erklärt Monika Hegi. Dies zu erreichen, sei manchmal nicht einfach. «Die schwierigste Situation ist, wenn Paare sich alte Verletzungen vorwerfen und die Vergangenheit zu viel Raum einnimmt.» Manchmal sei eine Rückschau nötig, um vorwärtsgehen zu können, aber grundsätzlich sei eine Mediation zukunftsgerichtet und ergebnisorientiert.

Die schwierigste Situation ist, wenn die Vergangenheit zu viel Raum einnimmt.

Weniger Konfliktpotenzial

In einer Mediation sei es wichtig, die Perspektive der Kinder miteinzubeziehen, betont Monika Hegi. «Sie sollen ihre Meinung und Bedürfnisse mitteilen können – für die Eltern ist das oft sehr bewegend.» Der Fokus auf die Kinder bietet zudem die Chance, das Paar daran zu erinnern, welchen Erfolg es in der Ehe erreichte. Die Zuteilung des gemeinsamen Sorgerechts für die Kinder bietet heute im Vergleich zu vor 30 Jahren geringeres Konfliktpotenzial in dieser Beziehung; sie erfordert mehr Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung. Denn seit 2014 gilt bei einer Scheidung automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Früher fiel dieses in den meisten Fällen den Müttern zu; erst ab 2000 konnten Paare ein gemeinsames Sorgerecht bei der Scheidung beantragen. Monika Hegi und ihr Mann gehörten zu den Ersten, die davon Gebrauch machten. Sie erinnert sich schmunzelnd zurück: «Für die damalige Vormundschaftsbehörde in St.Gallen waren wir der erste Fall.» Für sie sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass der Vater ihrer Kinder weiterhin Verantwortung tragen und mitentscheiden dürfe.

Aus Schwächen Stärken entwickelt

Die eigene Scheidung bezeichnet Monika Hegi als «Glücksfall» für ihre berufliche Laufbahn. Wäre sie verheiratet geblieben, hätte sie vermutlich im kaufmännischen Bereich weitergePersönlich – Zu Besuch bei Monika Hegi FHS ALUMNI Die Ehemaligen-Organisation der FHS St.Gallen ist ein wachsendes Netzwerk von 3'000 aktiven Mitgliedern sowie Studierenden-Mitgliedern. Ehemalige und aktuelle Studierende bleiben untereinander und mit der Hochschule verbunden. Kontakte pflegen und neue knüpfen, innerhalb des eigenen Fachbereichs sowie interdisziplinär: Socializing ist bei Alumni-Veranstaltungen sowie beim grössten und öffentlichen Anlass, dem Networking-Tag, möglich. Alumni sind zudem automatisch Mitglied der FH Schweiz, welche sich unter anderem stark bildungspolitisch engagiert. www.fhsalumni.ch www.networkingtag.ch arbeitet, sagt die 56-Jährige rückblickend. Stattdessen bildete sie sich im pädagogischen Bereich weiter, verbrachte zusammen mit ihren Töchtern ein Jahr in Neuseeland und entschied sich nach ihrer Rückkehr für das Bachelor-Studium in Sozialer Arbeit an der FHS St.Gallen.

Das Interesse für Menschen und soziale Zusammenhänge habe sie schon früh entwickelt, erzählt sie. «Ein eigentliches, persönliches Schlüsselerlebnis dafür gab es nicht, aber mehrere negative und ungeeignete Ereignisse in meiner Kindheit und im Jugendalter.» Das Aufwachsen bei psychisch angeschlagenen Eltern war für sie und ihre drei Geschwister schwierig, die Unterstützung von aussen gering. «Mit den heutigen Ansätzen und Erkenntnissen hätte unserer Familie besser geholfen werden können», ist sich Monika Hegi sicher. Ihre daraus entstandenen Schwächen konnte sie später aber zu Stärken machen. Dazu gehören ein grosses Verantwortungsgefühl, ein überdurchschnittliches Empathievermögen und Kommunikationsstärke.

Diese Fähigkeiten kamen Monika Hegi im berufsbegleitenden Studium zugute. Auf der Jugendanwaltschaft St.Gallen lernte sie die gesetzliche Sozialarbeit mit Täterinnen und Tätern kennen. Nach einem Jahr begleitete sie eigene Fälle, klärte das Umfeld, die Familie und die Schule der Jugendlichen ab, um dann Erwägungen zu stellen und eine Empfehlung für die Massnahme an die Jugendanwälte abzugeben. «Eigentlich wollte ich gar nie mit Tätern arbeiten», erzählt sie. «Doch die Erkenntnis, dass sie meistens auch Opfer sind, hat mich mit der Arbeit versöhnt.» Bei ihrer zweiten Arbeitsstelle im Kinderschutzzentrum In Via St.Gallen sammelte Monika Hegi Erfahrungen in der Opferhilfe. Die Beratung von gewaltbetroffenen Kindern und Jugendlichen stellte sie vor die grosse Herausforderung, Hemmungen vor schwierigen Gesprächen abzulegen und die Gefühle der Betroffenen nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen. Bei den Sozialen Diensten der Stadt St.Gallen vertiefte sie sich später in die gesetzlichen Aspekte des Sozialversicherungssystems und lernte, in kürzester Zeit strukturiert und viel zu arbeiten.

Ein Wunsch geht in Erfüllung

Aus diesen drei Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit konnte Monika Hegi umfangreiche und vielseitige Erfahrungen mitnehmen, die sie heute in der Beratungsstelle für Familien einsetzt. Zu den Schwerpunkten Trennungs- und Scheidungsberatung, Sachhilfe und begleitete Besuchstage ist im Jahr 2015 die Mediation hinzugekommen. «Für mich ist damit ein Wunsch in Erfüllung gegangen, den ich seit 25 Jahren mit mir trage», sagt sie. In den Mediationen kommen alle ihre Stärken und Erfahrungen zum Tragen. Eine Scheidungsoder Trennungs-Mediation ist für sie dann geglückt, wenn beide Seiten mit einem guten Gefühl eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung treffen können und wenn die Begleitung der Kinder im ganzen Prozess im Fokus bleibt. Und wenn sich ein Paar dann doch nicht trennen will? «Das habe ich bisher noch nicht erlebt», sagt Monika Hegi und lächelt. «Aber wer weiss.»

FHS ALUMNI

Die Ehemaligen-Organisation der FHS St.Gallen ist ein wachsendes Netzwerk von 3’000 aktiven Mitgliedern sowie Studierenden-­Mitgliedern. Ehemalige und aktuelle Studierende bleiben unterein­ander und mit der Hochschule verbunden. Kontakte pflegen und neue knüpfen, innerhalb des eigenen Fachbereichs sowie interdisziplinär: Socializing ist bei Alumni-Veranstaltungen sowie beim grös­sten und öffentlichen Anlass, dem Networking-Tag, möglich. Alumni sind zudem automatisch Mitglied der FH Schweiz, welche sich unter anderem stark bildungspolitisch engagiert.

www.fhsalumni.ch
www.networkingtag.ch