Archivausgabe
Brennpunkt

Bis wann ist man jung? Ab wann alt?

Annegret Wigger, 64

Dozentin am Institut für Soziale Arbeit, Forschung

Das Gefühl, jung oder alt zu sein, ergibt sich primär aus dem Vergleich, wie ich mich gegenüber Jüngeren bzw. Älteren wahrnehme. Aus meiner Sicht ist es ein Kontinuum, in dem sich quasi schleichend die eigene Selbstwahrnehmung verändert. Und doch hat es wahrscheinlich einen Zeitpunkt gegeben, an dem ich mich nicht mehr als «junge Frau» wahrgenommen habe. Allerdings fühle ich mich auch heute mit bald 65 Jahren noch nicht als ältere Frau, obwohl ich das ja tatsächlich bin. Insofern würde ich sagen: Alt bin ich oder ist man, wenn man sich innerlich selbst als alt empfindet, unabhängig davon, ob man dies als positiv oder negativ für sich bewertet.

Joël Eberle, 24

Student, Business Administration 7. Semester

Wenn man nicht an etwas gebunden ist, sollte man sich frei bewegen und jung fühlen. Mit einem Kind zum Beispiel ist man sofort an etwas gebunden und es braucht eine gewisse Seriosität. Diese führt dann dazu, dass man älter wirkt. Ab einem gewissen Alter ist es auch der Geist, der ausmacht, ob man sich jung oder alt fühlt. Doch abschliessend ist die Frage nicht zu beantworten. Ich erinnere mich an eine Situation aus meinem Betrieb. Einige, die um die 25 Jahre alt sind, wurden als «die Jungen» bezeichnet. Ein weiterer Mitarbeiter, 37-jährig, fühlte sich von diesem Begriff ebenfalls angesprochen. Für die «Jungen» wiederum gehörte jener klar zu den Älteren. Wer hat nun Recht?

Rosmarie Arnold, 64

Dozentin/Projektleiterin am Institut für Soziale Arbeit, Consulting

Im August habe ich das AHV-Alter erreicht. Jetzt werde ich gefragt: «Bis wann ist man jung? Ab wann alt?» François Höpflinger könnte diese Fragen differenzierter beantworten. Ganz alltagstheoretisch hätte ich geantwortet, dass man so alt ist, wie man sich fühlt. Als ich 30 wurde, fühlte ich mich uralt. Damals galt der Spruch: «Traue keinem über 30!» 30 war für mich die magische Schwelle. Mit 50 redete ich mir ein, dass mir die Fünf davor nichts ausmache. Das stimmte natürlich nicht. Ich dachte: Ab jetzt wird die vor mir liegende Zeit immer kürzer im Gegensatz zur Erinnerung, die hinter mir liegt. Heute mit 64 fühle ich mich fast wie «forever young».

Claudia Kühne, 23

Studentin, Pflege 3. Semester

Es kommt darauf an, wie man sich fühlt. Ein 80-Jähriger kann sich blutjung fühlen, genau so, wie sich ein 50-Jähriger uralt fühlen kann. Das ist ein völlig subjektives Empfinden. Ich glaube aber durchaus, dass das eigene Empfinden zum Alter beeinflusst werden kann. Sportliche Aktivitäten zum Beispiel können Menschen körperlich wahrscheinlich eher länger jung erhalten, als wenn man sich gar nicht bewegt. Einen anderen Einfluss auf das Alter hat bestimmt das Grossziehen von Kindern. Mit Kindern befindet man sich wohl in einem anderen Reifegrad als ohne. Aber ob sich das auf das Alter niederschlägt, kann ich nicht sagen.

Reto Eugster, 59

Leiter Weiterbildungszentrum WBZ-FHS

Ehrlich gesagt, weiss ich nicht, ob ich vor zwanzig Jahren jünger war als heute. Das macht jede Diskussion zum Thema Altern schwierig. In Anlehnung an ein Wort von Karl Lagerfeld antworte ich im Zweifelsfall boulevardesk: «Ich habe kein Alter». Meine Biografie erlebe ich nicht als logische Abfolge, sie besteht nicht aus Abschnitten, die sich als Teil eines grösseren Ganzen ausweisen könnten. Zu lernen gelernt, habe ich nach der Schule. Die «erste Liebe» folgte nach der zweiten und dritten. Karriere machte ich, nachdem ich sie verpasst hatte. Es braucht seine Zeit, bis der Mut zur Jugend durchbricht.

Lars Buff, 26

Student, Soziale Arbeit 3. Semester

Auf diese Frage gibt es wohl kein Richtig oder Falsch. Viele Faktoren spielen hier eine Rolle und können die Eigen- und die Fremdwahrnehmung über das eigene Alter beeinflussen. Faktoren wie Lebensphilosophie, Erziehung, Sozialisation und Umgebung entscheiden mit, ob man sich jung oder alt fühlt. Verbitterung, Ernsthaftigkeit oder Stress über einen längeren Zeitraum lassen einen bestimmt auch altern. In Zahlen ausdrücken kann man es aber nicht, wie lange man jung oder ab wann man alt ist.

Text und Bilder:
red./Mitarbeit: Ilir Mustafa