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Brennpunkt

Im Dialog voneinander lernen

Marion Loher

Wenn verschiedene Generationen im Team zusammenarbeiten, prallen unterschiedliche Wünsche, Anforderungen und Werte aufeinander. Diese Heterogenität ist eine grosse Herausforderung für die betriebliche Personalpolitik. Aber sie kann auch eine Chance sein, wie Reto Eugster, Leiter des Weiterbildungszentrums WBZ-FHS, und Michael Pertek, COO der Namics AG in St.Gallen, sagen.

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Die demografische Entwicklung führt dazu, dass weniger jüngere Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und sich die Zahl der älteren erhöht. Das bedeutet auch, dass in vielen Fällen bis zu fünf Generationen in einem Team zusammenarbeiten – von der Nachkriegsgeneration und den Babyboomern über die Generationen X und Y bis hin zur Generation Z, den Digital Natives. Sie alle haben unterschiedliche Erwartungen an ein Unternehmen. Der Berufseinsteiger wünscht sich beispielsweise Karriereperspektiven, die erwerbstätige Mutter möchte flexible Arbeitszeiten und für den 60-Jährigen steht die Gesundheit im Vordergrund. Allen gerecht zu werden, ist eine grosse Herausforderung für die Arbeitgeber.

Die wachsende Heterogenität der Belegschaft kann aber auch eine Chance sein. Die Rede ist vom Generationenmanagement: Unternehmen bemühen sich um die Talente der nächsten Generation, erkennen den Wert der älteren Mitarbeitenden und wissen das Know-how aller Altersgruppen zu nutzen. Eine Firma, die sich diese Unternehmenskultur auf die Fahne geschrieben hat, ist die Namics AG in St.Gallen. Sie beschäftigt 520 Mitarbeitende an sechs Standorten in drei Ländern. «Unsere Organisation ist auf Autonomie aufgebaut», sagt COO Michael Pertek. Seiner Meinung nach kann Generationenmanagement nur mit «gegenseitigem Respekt für die individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen» gelingen. «Mit einer Kultur, die auf geteilten Werten basiert, die nicht Hierarchien und Seniorität, sondern Kompetenz und Rollenverständnis in den Fokus stellt.»

Vorurteile haben Konfliktpotenzial

Reto Eugster leitet das Weiterbildungszentrum WBZ-FHS. Als Wissenschaftler beschäftigt er sich seit Jahren mit dem Thema «Generationen» und hält immer wieder Vorträge dazu. So auch kürzlich an der OBA, wo er über die «Erfindung der Generationen – Fluch und Segen eines Trends» sprach. «Für ein erfolgreiches Generationenmanagement müssen sich Aspekte davon in den konkreten Formen der Zusammenarbeit, also in den Unternehmensstrukturen, abbilden», sagt er. «Nachwuchsförderung für die Jungen und Fit-am-Arbeitsplatz-Programme für die Älteren alleine reichen nicht aus.»

Generationen sind seit Menschengedenken mit Vorurteilen belastet: Einerseits jung, unerfahren, dominant, andererseits alt, erfahren, angepasst. Das birgt Konfliktpotenzial und kann die Zusammenarbeit behindern. «Vorurteile entstehen durch die Biografisierung, die Art, wie wir unser Leben beschreiben und betrachten», sagt Eugster. «In der Regel sind sie tief in Unternehmenskulturen verankert. Es seien «funktionierende Vorurteile», weil Vorurteilen die Tendenz anhafte, sich selbst zu bestätigen. «Mehr noch», so der Wissenschaftler, «sie prägen unseren Alltag. Eine Entschärfung kann dann stattfinden, wenn neue Erfahrungen ermöglicht werden, beispielweise in der TeamInteraktion.»

Die Mehr-Generationen-Teams fordern auch die Führungskräfte. Auf sie kommen neue Aufgaben zu. Der COO der Namics AG, Michael Pertek, sagt: «Den Führungskräften muss es künftig gelingen, ein Umfeld von Vertrauen und Respekt zu schaffen, in dem sich Menschen mit ihren verschiedenen Lebenssituationen in einem Team einbringen können.» Aus verschiedenen Altersgruppen könnten nur dann leistungsstarke Teams werden, wenn «jeder seine Stärken einbringen kann und seine Schwächen akzeptiert werden». Für Michael Pertek zählt am Schluss das Team: «Es muss stärker sein als die Summe seiner Einzelmitglieder.»

Keine eindeutige Rollenverteilung mehr

Für Reto Eugster kann das Generationenmanagement höchstens eine «Teillösung des demografischen Wandels» sein. Die heroische Führungskraft habe ausgedient, sagt er, heute gehe es vielmehr um netzwerkorientierte Formen der Zusammenarbeit. Weshalb aber muss das Miteinander von Jung und Alt gemanagt werden, wo sie doch seit jeher zusammenarbeiten? Michael Pertek sagt dazu: «Die Rollenverteilung in Teams ist nicht mehr so eindeutig wie früher. Zudem bauen die Fähigkeiten und Bedürfnisse nicht mehr logisch aufeinander auf, sondern ergeben sich situativ und individuell.» Junge und ältere Mitarbeitende begegneten sich heute hinsichtlich ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten öfters auf Augenhöhe als früher. «Wir lernen im Dialog voneinander.»

WAS «DIGITAL NATIVES» ERWARTEN

Die «Digital Natives» sind die erste Generation, die komplett in der digitalen Welt aufgewachsen ist. Für sie, die nach 1995 geboren sind, gehört die Nutzung der neuen Medien zum Alltag – auch im Berufsleben. Doch welche Anforderungen hat diese Generation an potenzielle Arbeitgeber? Das Kompetenzzentrum Leadership und Personalmanagement (LUP) des Instituts für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft IQB-FHS hat 221 Lernende aus dem Kanton St.Gallen während ihres letzten Lehrjahres zu diesem Thema befragt. Die «Digital Natives» äusserten sich zu Fragen der Arbeitgeberattraktivität für die Bereiche Arbeitstätigkeit, -umgebung und -atmosphäre sowie Karriere und Entwicklung, Identifikation mit dem Unternehmen und finanzielle Sicherheit.

Die Studie «Erwartungen der Digital Natives an ihren Arbeitgeber» ergab, dass für die «Digital Natives» gegenseitige Achtung und Unterstützung, transparente Kommunikation und ein fairer Lohn wichtig sind. Gemäss Alexandra Cloots, Wissenschaftlerin und Dozentin am Kompetenzzentrum LUP, geht es bei den Erwartungen an potenzielle Arbeitgeber oft um Wohlfühlfaktoren am Arbeitsplatz wie Wohlbefinden, Fairness und Wertschätzung. «Es ist auffällig, dass die Digital Natives eine gut abgestimmte Work-Life-Balance erwarten», sagt Alexandra Cloots. Laut Projektleiterin Judith Pauli wurde in der Studie deutlich, dass für Transparenz ein wichtiger Faktor die Arbeitsgestaltung ist. «Digital Natives» nutzten die sozialen Medien ganz selbstverständlich, sagt sie, Plattformen wie «kununu» oder «Glassdoor» machten durch Arbeitgeberbewertungen, Offenlegung der Saläre und Bewertungen zu Bewerbungsgesprächen auch mehr Transparenz möglich.

Interessant findet Alexandra Cloots, dass diese Generation «viele Anforderungen an Arbeitgeber hat, aber auch klar Grenzen zieht und sagt, wie viel sie zu geben bereit ist». Die Studie bestätigt zudem, dass die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Generationen zur Gestaltung der neuen Arbeitswelt wichtig ist und immer bedeutsamer wird. Daher empfehlen Judith Pauli und Alexandra Cloots Unternehmen und HR-Verantwortlichen, sich frühzeitig mit den «Digital Natives» auseinanderzusetzen. Dabei sollten auch andere Generationen mitberücksichtigt werden, da sonst Erfahrungswissen verloren gehen kann. «Unternehmen sollten deshalb einen Generationenmix prüfen und den Dialog der Generationen fördern.»