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Brennpunkt

Interesse und Relevanz vereinen Jung und Alt

Andrea Sterchi

Wie bringt man Jung und Alt in Gemeinden zusammen? Zum Beispiel mit einem Generationenprojekt. Das Dorf Tübach möchte die guten Lebensbedingungen für alle Generationen erhalten und weiterentwickeln und hat dazu Projekte ausgearbeitet – unterstützt vom Ostschweizer Zentrum für Gemeinden der FHS St.Gallen und der Abteilung Gemeinden und Netzwerke des Amts für Gesundheitsvorsorge.

Eine Spielzeugkiste beim Spielplatz, ein Schaber für den Tischtennistisch, eine Liste mit Angeboten für Seniorinnen und Senioren in der Region – oft braucht es wenig für den ersten Erfolg. Auch bei einem Generationen verbindenden Projekt. Kleine Dinge seien ebenso wichtig, häufig gingen sie aber vergessen, sagt Stefan Tittmann, Co-Leiter des Ostschweizer Zentrums für Gemeinden OZGFHS. Kleine Dinge haben aber einen entscheidenden Vorteil: Meist lassen sie sich schnell umsetzen. Besonders bei der Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen ist der Faktor Zeit wichtig. «Für sie zählt das Jetzt. Mit ihnen muss man Dinge rasch umsetzen. Das unterscheidet sie von den Älteren», sagt Stefan Tittmann.

Positives Echo in der Gemeinde

Bei kleinen Dingen ist es in Tübach nicht geblieben. Während das OZG und das Institut für Soziale Arbeit mittels eines Dorfspaziergangs und einer Umfrage die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen ermittelten, befragte die Abteilung Gemeinden und Netzwerke des kantonalen Amts für Gesundheitsvorsorge die älteren Einwohner zu ihren Wünschen und Anliegen. Anschliessend stellten sie einander ihre Resultate vor.

Dann erarbeiteten Vertreter beider Gruppen und des Gemeinderates unter der Leitung des OZG und der Abteilung Gemeinden und Netzwerke diverse kurz- bis langfristige Projekte und klärten, wo allenfalls die Gemeinde oder die Schule eine tragende Rolle übernehmen soll. Zum Schluss präsentierte die Arbeitsgruppe die Ergebnisse öffentlich. «Der Anlass war sehr gut besucht und das Echo zum Generationenprojekt äusserst positiv», sagt Gemeindepräsident Michael Götte. Einige Projekte wie etwa der Pilotbetrieb eines Jugendraums sind aufgegleist und Abklärungen für den Bau einer Bocciabahn als Treffpunkt für die Älteren im Dorf laufen. Ebenfalls im Gespräch ist ein Mittagstisch für Jung und Alt. «Die Umsetzung braucht noch Zeit. Zumal wir aufgrund der steigenden Nachfrage den bestehenden Mittagstisch der Schule gerade ausgebaut haben und etwas Neues zu früh kommt», sagt Michael Götte. Weiterverfolgt wird zudem ein Nachbarschaftshilfeprojekt zur Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen.

Das Engagement der Tübacherinnen und Tübacher imponierte Sabina Ruff, Leiterin der Abteilung Gemeinden und Netzwerke beim Kanton. «Mich beeindruckt, wie vernetzt die Menschen in dörflichen Strukturen sind, wie gut die politischen Verantwortungsträger die Bevölkerung motivieren können und wie angeregt und innovativ die Bevölkerung sich beteiligt hat.» Bei solchen Mitwirkungsprojekten sei es oft schwierig, die Menschen überhaupt zu erreichen.

Gute Lebensbedingungen für alle

Entscheidend für den Erfolg eines Generationenprojekts ist, dass es sowohl Massnahmen nur für Jüngere und nur für Ältere als auch für beide Generationen beinhaltet. Das entspricht auch dem Ziel, das der Gemeinderat vorgab: Gute Lebensbedingungen im Dorf für alle Generationen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sollte der Dialog zwischen ihnen gegenseitiges Verständnis schaffen. «Jung und Alt bringt man letztlich nur dann zusammen, wenn das Projekt für beide Generationen interessant und vor allem relevant ist», sagt Stefan Tittmann. Junge fänden vieles spannend, was Ältere erzählten, nur sei es für sie eben nicht relevant.

Dialog auf Augenhöhe

Damit ein Generationenprojekt gelingt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen braucht es eine klare Vorstellung des Ziels und der Inhalte. «Bedürfnisse und Wünsche von zwei Generationen müssen sich treffen», so Stefan Tittmann. Zum anderen funktioniert ein solches Projekt nicht im Alleingang, es braucht ein Team. «Mindestens zu dritt» lautet sein Rat. Und drittens braucht es einen Dialog auf Augenhöhe, einen echten Austausch und echtes Interesse auf beiden Seiten. Mentoring-Projekte etwa haben es in diesem Zusammenhang oft schwer, da sie Machtgefälle beinhalten. «Es geht nicht darum, jemanden an die Hand zu nehmen, sondern sich gegenseitig zu stärken», sagt Stefan Tittmann.

Politik muss mitziehen

Ein Erfolgsfaktor ist zudem die Politik. So muss der Gemeinderat die nötigen Rahmenbedingungen für ein Miteinander schaffen. Generationenprojekte zahlten sich für Gemeinden aus, ist Stefan Tittmann überzeugt. Sie seien nicht nur sinnstiftend für alle Beteiligten und erlaubten eine aktive Mitwirkung, die Beteiligten würden auch neue Kompetenzen erwerben. Gleichzeitig stärkten und belebten die Projekte das Gemeinwesen und förderten Nachbarschaftsbeziehungen. «Sie stärken den sozialen Kit. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist der Kern eines jeden Gemeinwesens, das, was uns als Menschen ausmacht. Er entsteht über das gemeinsame Tun», sagt Stefan Tittmann. Von den Gemeinden brauche es Mut für Experimente. «Beziehungen machen die Qualität der Projekte aus. Und diese entstehen auch im Scheitern.»

Gemeinschaft gefordert

Als wertvollen Prozess bezeichnet Michael Götte das Projekt. «Dass sich so viele Personen engagiert haben, zeigt zudem, dass das Thema interessiert. Wir konnten einiges bewegen.» Eine positive Bilanz zieht auch Sabina Ruff. «Wir hatten die Chance, in einer Gemeinde wirksam zu sein, die «noch» keine Probleme hat.» Mit der zunehmenden Siedlungsentwicklung nach innen, der Zunahme der Bevölkerung und dem Zuzug von Menschen in dörfliche Strukturen, die nicht im Ort aufgewachsen sind, wachse die Anforderung an die Gemeinschaft und die Politik, das Zusammenleben zu gestalten und entsprechende Rahmenbedingungen frühzeitig zu planen und zu installieren.

GEMEINDEN UND NETZWERKE

Die Abteilung Gemeinden und Netzwerke des kantonalen Amts für Gesundheitsvorsorge unterstützt Gemeinden bei Vorhaben oder Ideen zu intergenerativen Projekten. Sie berät und begleitet Prozesse und unterstützt sie finanziell und fachlich. «Wir gehen davon aus, dass der Mensch da gesund ist, wo seine unmittelbare Lebensumwelt sinnhaft und verstehbar ist, und er sich aktiv einbringen kann in Prozesse, die ihn unmittelbar betreffen», sagt Leiterin Sabina Ruff. So entstehe ein Kohärenzgefühl, das mit Lebenszufriedenheit übersetzt werden könne. Auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung wirkten sich Generationen verbindende Massnahmen nachhaltig auf die soziale Kohäsion, das nachbarschaftliche Zusammenleben und so auf die finanziellen Ressourcen der Gemeinden aus.