Archivausgabe
Erkenntnis

KMU in eine digitale Zukunft navigieren

Petra Kugler/Christian Thiel

Für viele KMU ist die digitale Transformation Fluch und Segen zugleich. Vieles wird sich grundlegend verändern. Daraus entstehen ebenso Chancen wie Herausforderungen, mit denen sich KMU schon heute auseinandersetzen sollten. Wie diese erkannt und genutzt werden können, steht im Mittelpunkt des Angewandten Forschungsprojektes «Nutzenbasierter Digitalisierungs-Navigator» oder kurz DigiNav.

Zehn der zwanzig erfolgreichsten Unternehmen sind heute Internetbetriebe, welche digitale Technologien auf eine neue Weise nutzen. Noch vor zehn Jahren dominierten grosse Industrieunternehmen die ersten Plätze auf der Erfolgsskala. Vieles ist im Umbruch und wir stehen heute vermutlich vor einem völlig neuen Paradigma der Wertschöpfung, vergleichbar mit der Veränderung durch die Industrialisierung. Wir reden in diesem Zusammenhang von «Disruption». Das Zeitalter der Digitalisierung hat also bereits begonnen. Was heisst das? Digitale Technologien ermöglichen es heute, Prozesse, Menschen und Maschinen miteinander zu vernetzen. Dadurch können beispielsweise enorme Mengen an Daten gewonnen werden, die uns ganz neue Einsichten gewähren. Vieles, wo es bisher den Menschen brauchte, kann zudem vollständig automatisiert werden. Intelligente Systeme lernen ausserdem dazu, sie nehmen Veränderungen wahr und bauen diese selbstständig in Software ein. Wie Unternehmen, Märkte und der Wertschöpfungsprozess funktionieren, verändert sich damit grundlegend.

Digitalisierungs-Navigator

Gerade für KMU ist die digitale Transformation mit einem erheblichen Einsatz von Ressourcen verbunden. KMU müssen daher verstehen, welche digitalen Veränderungen überhaupt möglich und sinnvoll sind, und welche Wirkungen sie auslösen. Sie brauchen einen Werkzeugkasten, der ihnen dabei hilft, durch den Digitalisierungs-Dschungel zu navigieren. Denn heute nicht oder zu spät zu handeln, stellt ebenso ein Risiko dar, wie in die falschen Aspekte der Digitalisierung zu investieren.

Dies gemeinsam mit sieben Partnerunternehmen zu analysieren und zu diskutieren, steht im Mittelpunkt des Projekts DigiNav. Digitalisierung wird dabei aus fünf sich ergänzenden Perspektiven betrachtet: Prozesse, Strategie, Services, Produktion und Human Resources. Gemeinsam mit drei weiteren Hochschulen wird so ein ganzheitliches und interdisziplinäres Instrument erarbeitet, das KMU auf dem Weg in eine digitale Zukunft unterstützt. Zwei der fünf Perspektiven wurden seit Projektbeginn im Januar bereits erarbeitet: digitale Prozesse und Strategien/Geschäftsmodelle.

IBH-LAB KMU DIGITAL

Die Internationale BodenseeHochschule (IBH) ist ein grenzüberschreitender Verband von Hochschulen in der Bodensee-Region. Seit Anfang 2017 fördert sie über vier Jahre drei «Labs», Forschungskonsortien zu aktuellen Themen und ihre Verankerung in der Region. Das IBH-Lab «KMUdigital» untersucht, welche Chancen, Risiken und Notwendigkeiten die digitale Transformation für KMU mit sich bringt: Wie viel Digitalisierung muss und wie viel passt in den Mittelstand? Daran beteiligt sind neben der FHS St.Gallen die ZHAW School of Engineering, die HTWG, die NTB, die Fachhochschule Vorarlberg, die PH Weingarten und die Zeppelin Universität. Es besteht zudem ein enger Austausch mit zahlreichen KMU aus der Region. Das Projekt DigiNav ist eines von mehreren Einzelprojekten des Labs.

Die Digitalisierung verändert die bestehenden Spielregeln des Wettbewerbs grundlegend.

Digitale Prozesse

Im Bereich der Prozessintegration zeigt sich, dass Rahmenbedingungen, Zielsetzungen und Anforderungen zum Handlungsbedarf in KMU eine grosse Varianz aufweisen. Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen zur digitalen Prozessintegration müssen daher sehr unterschiedlich ausfallen. Fest steht aber: Digitale Prozesse können die Effizienz von Unternehmen deutlich steigern. Die Ergebnisse lassen sich den Teilbereichen Prozessintegration in Richtung Kunden, Prozessintegration in Richtung Lieferanten, Partner und Behörden sowie Prozessintegration und -optimierung innerhalb des Unternehmens zuordnen. Dabei stehen in KMU auch heute noch die klassischen Themen der Wirtschaftsinformatik vom ERPSystem zu eCommerce im B2C- und B2B-Umfeld bis hin zu Fragen des Electronic Data Exchange und eProcurement im Vordergrund.

Digitale Strategie

Digitale Technologien ermöglichen neue Geschäftsmodelle und begründen eine neue Erfolgslogik. Der Wettbewerb ist insgesamt härter, komplexer und oft schwer kalkulierbar geworden. Wir entdecken heute schon, dass die Digitalisierung die bestehenden Spielregeln des Wettbewerbs grundlegend verändert. So ermöglichen es digitale Plattformen beispielsweise, einzelne Stufen der Wertschöpfung neu zu gestalten, oder sie entfallen ganz. Insofern gilt es heute, die neuen Muster des digitalen Wettbewerbs zu verstehen und für sich selbst zu nutzen. Dabei wird es kaum ausreichen, Unternehmen effizienter zu machen. Vielmehr braucht es intelligente und innovative Lösungen, die einen klaren Nutzen für die Kunden stiften. Nur so lassen sich Vorteile im Wettbewerb aufbauen und erhalten.