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Zu Besuch bei Caroline Derungs

Zu Besuch bei Caroline Derungs

Marion Loher

Caroline Derungs ist kaum zu bremsen. Seit gut 16 Monaten leitet die 45-jährige St.Gallerin mit Basler Wurzeln erfolgreich die neue Ferienmesse «Grenzenlos». Die FHS-Alumna sprüht vor Energie, reisst gerne neue Projekte an und liebt die Herausforderung. Doch die zweifache Mutter weiss auch, wie es ist, wenn das Schicksal in der eigenen Familie zuschlägt.

Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Als Caroline Derungs die Stelle als Leiterin der neuen Ferienmesse «Grenzenlos» antrat, wurden die Stände in den St.Galler Olma-Hallen bereits aufgebaut. Zwei Wochen später öffnete die Messe ihre Türen. «Bis dahin kannte ich Messen nur aus Besuchersicht», erzählt die 45-Jährige, «also half ich einfach dort aus, wo ich konnte.» Das war vor gut eineinhalb Jahren. Mittlerweile hilft sie nicht mehr «nur» aus, sondern organisiert das Ganze. Die erste «Grenzenlos»-Messe unter ihrer Leitung war ein voller Erfolg: 382 Aussteller und über 35’000 Besucherinnen und Besucher. Das sind 13 Prozent mehr als im Vorjahr, und nächstes Jahr sollen es noch mehr werden. Die Vorbereitungen laufen bereits heute, acht Monate zuvor, auf Hochtouren. Wer Gastland wird oder welche Sonderschauen es zu sehen gibt, will sie noch nicht verraten. «Das Konzept steht, muss aber noch von der Geschäftsleitung abgesegnet werden.»

Vom Messefieber gepackt

Im Grossraumbüro an der Splügenstrasse, dort, wo die Genossenschaft Olma Messen St.Gallen ihren Sitz hat, verbringt Caroline Derungs die meiste Zeit des Tages – wenn sie nicht gerade in Zürich auf Kundenbesuch ist oder in Berlin Ausschau nach den neuesten Ferientrends hält. Die Mutter zweier Kinder im Teenageralter sprüht vor Energie – und vor Ideen. «Manchmal habe ich fast zu viele davon im Kopf», sagt sie. Doch bremsen lässt sich die selbstbewusste Frau mit dem stylischen Pixie Cut und den stahlblauen Augen nur selten. Bei ihr muss immer etwas laufen, «ich möchte ja nichts verpassen», fügt sie augenzwinkernd hinzu. Sie liebt es, «öppis uf d’Bei z’stelle», und als Leiterin der «Grenzenlos» kann sie das jedes Jahr tun. Sie ist mit Leib und Seele dabei. «Wenn ich die leeren Hallen betrete und die weissen Markierungen für die Stände auf dem Boden sehe, beginnt es in meinem ganzen Körper zu kribbeln.» Das Messefieber hat Caroline Derungs schon im Kindsalter gepackt: Jedes Jahr ging es mit der Familie an die Muba, die Basler Publikumsmesse, und ihren Vater durfte sie jeweils an die Industriemesse Ilmac begleiten, um ihm beim Aufbau seines Standes zu helfen.

Wenn ich die leeren Hallen betrete und die weissen Markierungen am Boden sehe, beginnt es in meinem Körper zu kribbeln.

Zwischen den Dialekten switchen

Die ersten 12 Jahre ihres Lebens verbrachte Caroline Derungs zusammen mit ihrem Bruder und ihren Eltern in einem kleinen Dorf im Baselbiet. Der Vater ist Basler, die Mutter Engländerin. Die Kinder wuchsen zweisprachig auf. Danach zog die Familie in die Ostschweiz, genauer gesagt nach Herisau. Der Umzug während der Sekundarschulzeit sei nicht einfach gewesen, erinnert sie sich. «Damals gab es noch kein HarmoS. Das heisst: Das, was im Baselbiet gemäss Lehrplan noch gekommen wäre, war in Herisau schon durch.» Und dann war da noch dieser «komische» Dialekt, den sie und ihr Bruder «niemals» sprechen wollten. Doch sie mussten, wollten sie nur annähernd akzeptiert werden. «Wir beschlossen, uns in der Schule anzupassen, zu Hause aber Baseldytsch zu reden.» So lernte sie, zwischen den Dialekten hin und her zu switchen, was sie heute noch sehr gut beherrscht.

Ihre Leidenschaft für Sprachen, Menschen und Reisen zog Caroline Derungs nach der Schule ins Reisebüro, wo sie eine KV-Lehre absolvierte. Es folgten ein Auslandaufenthalt in England und ein beruflicher Abstecher in die Kuoni-Filiale nach Lugano. Danach begann sie in St.Gallen an der ehemaligen Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV), der heutigen Fachhochschule, Betriebsökonomie zu studieren. «Eigentlich wollte ich das dritte Studienjahr in Samedan verbringen», erzählt sie, «doch dann lief mir mein Mann über den Weg.» Er arbeitete in St.Gallen und spielte Handball bei Pfadi Winterthur in der höchsten Schweizer Liga. «Wäre ich ins Engadin gegangen, hätten wir uns kaum gesehen.» So blieb sie in St.Gallen, schloss ihr Studium ab – und wurde schwanger. Neun Monate später kam Tochter Jamie zur Welt. Das Glück schien perfekt. Doch als das kleine Mädchen 16 Monate alt war, schlug das Schicksal zu. Diagnose: Akute myeloische Leukämie. «Das zog uns den Boden unter den Füssen weg.»

«Eine aufreibende Zeit»

Ein ganzes Jahr lang war Caroline Derungs praktisch jeden Tag rund um die Uhr im Spital bei ihrem Kind. «Eine aufreibende Zeit, wir hätten unsere Tochter ein paar Mal fast verloren.» Ein Gefühl, das sich kaum in Worte fassen lasse. «Sein Kind zu verlieren, ist vermutlich das Schlimmste, was einem passieren kann.» Weltweit wurde kein passender Stammzellen-Spender für Jamie gefunden. Die letzte Chance waren die Stammzellen des Vaters, welche zu 50 Prozent kompatibel waren. «Glücklicherweise verlief die Transplantation am Kantonsspital in Basel problemlos. Jamie erholte und entwickelte sich sehr gut.» In der Zwischenzeit war Caroline Derungs wieder schwanger geworden. Ein paar Tage vor Weihnachten durften sie dann ihre Tochter mit nachhause nehmen, und zwei Wochen später kam ihr Sohn zur Welt. Gesund und munter. Heute ist Jamie 19 Jahre alt und absolviert eine Ausbildung zur Medizinischen Praxisassistentin. Ihr Bruder Alan ist zwei Jahre jünger und lernt Zeichner Architektur, «vielleicht auch, weil er als kleiner Bub unseren Hausbau, den ich geleitet habe, so intensiv miterlebt hat».

Nach dieser «struben Zeit» wollte die junge Mutter wieder zurück in die Berufswelt. Sie fand eine 40-Prozent-Stelle in der Gemeindeverwaltung Niederhelfenschwil und arbeitete fortan für das ­Vormundschafts- und das Sozialamt. Zudem leitete sie die AHV-Zweigstelle. Die Betreuung der beiden Kinder teilte sie sich mit ihrem Mann, ihren Eltern und den Schwiegereltern. Als die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) entstand, musste sie sich entscheiden, ob sie in diesem Bereich eine Weiterbildung machen möchte oder ob sie sich nach etwas anderem umschauen soll. Sie entschied sich für Letzteres und stiess auf eine offene Stelle in der Standortförderung im kantonalen Amt für Wirtschaft und Arbeit. «Genau mein Ding», dachte sie sich und bewarb sich. Sie bekam den Job und arbeitete, bevor sie im Januar 2017 zu den Olma Messen wechselte, während fünf Jahren für die Standortentwicklung und -promotion im Kanton St.Gallen. Zwischenzeitlich absolvierte sie berufsbegleitend an der HTW in Chur den Executive MBA in Tourismus und Hospitality ­Management.

«Vielleicht bin ich zu spontan»

«Als ich damals von den Olma Messen angefragt wurde, die Leitung der «Grenzenlos» zu übernehmen, hatte ich nur einen Tag Bedenkzeit.» Für viele wäre das zu wenig gewesen, ihr aber genügte dieser eine Tag. Die Herausforderung reizte sie, der Sprung ins kalte Wasser sowieso. Nicht zum ersten Mal. Würde sie sich selber als mutig bezeichnen? Sie zuckt mit den Schultern. «Vielleicht bin ich zu spontan», sagt sie, lächelt schelmisch, um dann wieder ernst zu werden: «Für mich relativiert sich jedes Problem, wenn ich an die Krankheit meiner Tochter und an die Zeit im Spital denke.»

Caroline Derungs ist eine Macherin: packt an, reisst mit, setzt um. Sie nutzt die Chancen, die sich ihr bieten. Ihre Batterien sind selten leer. Und wenn doch, lädt sie die bei einem Musikfestival oder auf Reisen wieder auf.

Apropos Reisen: Wo verbringt eigentlich die Leiterin einer Ferienmesse ihre nächsten Ferien? «In Florida, mit meiner Familie.» Und wohin würde sie noch gerne verreisen? «Nach Südafrika, meine Verwandten besuchen, und zu den Pinguinen nach ­Patagonien.»

FHS ALUMNI

Die Ehemaligen-Organisation der FHS St.Gallen ist ein wachsendes Netzwerk von 3’000 aktiven Mitgliedern sowie Studierenden-­Mitgliedern. Ehemalige und aktuelle Studierende bleiben unterein­ander und mit der Hochschule verbunden. Kontakte pflegen und neue knüpfen, innerhalb des eigenen Fachbereichs sowie interdisziplinär: Socializing ist bei Alumni- Veranstaltungen sowie beim grös­sten und öffentlichen Anlass, dem Networking-Tag, möglich. Alumni sind zudem automatisch Mitglied der FH Schweiz, welche sich unter anderem stark bildungspolitisch engagiert.

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