Archivausgabe
Brennpunkt

Das Google für die Pflegenden

Basil Höneisen

Den Infusionsschlauch alle zwei Tage wechseln oder nicht? Die Patientin nach einer Entnahme von Rückenmark-Flüssigkeit ruhen lassen oder nicht? Solche Fragen beantwortet die Forschung – doch oft in ellenlangen Studien, für deren Lektüre niemand Zeit hat. Deshalb stellt eine Online-Plattform aktuellste Erkenntnisse in zusammengefasster Form dar und erleichtert damit den Alltag der Pflegenden – die Brücke zwischen Praxis und Forschung ist gebaut.

«FIT-Nursing Care» nennt sich diese Plattform und verspricht, die fehlende Verbindung zwischen Forschung und Praxis im Pflegebereich einzunehmen. Wer denkt, diese Brücke sei längst gebaut, weil die medizinische Forschung mindestens bis ins frühe Mittelalter zurückgreife und diese Erkenntnisse in der Praxis sichtbar seien, der hat grundsätzlich Recht. Im Bereich der Pflege hingegen ist die Forschung noch blutjung. Das führt in Pflegeinstitutionen wie einem Spital tagtäglich zu Herausforderungen und offenen Fragen des Pflegefachpersonals. Eine Frage war zum Beispiel, wie mit einem Patienten nach einer «Lumbalpunktion» umgegangen wird – einer Entnahme von Rückenmark-Flüssigkeit, damit auf Krankheiten wie Multiple Sklerose geprüft werden kann. Bis anhin herrschte die gängige Meinung, dass nach einem solchen Eingriff Bettruhe eingehalten werden muss. Da dies jedoch bei vielen Patientinnen und Patienten starkes Kopfweh hervorrief, fingen die einen an, anstelle von Bettruhe Mobilisierung zu empfehlen. So entstanden zwei unterschiedliche Meinungen im Pflegebereich. Als Folge davon wird nun je nach Situation die eine oder andere Massnahme umgesetzt.

Forschung fürs Leben

Doch welche Methode befreit nun den Patienten von diesen Kopfschmerzen? Das kann nur die Forschung herausfinden – und das tut sie auch! Weltweit sind, genau in diesem Moment, Tausende Personen an diversen Forschungsprojekten im Pflegebereich tätig und publizieren ihre Resultate, die in Studiengänge der Pflege einfliessen. Nur: Wie erfahren Pflegende auch nach dem Studium vom neusten Stand der Forschung, ohne dass sie Stunden fürs Lesen und Verstehen von 20-seitigen, englischen Studien investieren müssen? Diese fehlende, zeitnahe Brücke zwischen Forschung und Praxis übernimmt die Onlineplattform FIT-Nursing Care von swissEBN (siehe Box). «FIT ist wie Google. Nur beschränken sich die Suchresultate auf Zusammenfassungen von Studien, die relevant für den Pflegebereich sind», sagt Cornel Schiess, wissenschaftlicher Assistent des Instituts für Angewandte Pflegewissenschaft IPW-FHS.

Zurück zum Beispiel, wie mit einem Patienten nach einer Lumbalpunktion umgegangen werden soll: Haben Pflegende Zugriff auf die Plattform, können sie die Frage eingeben und erhalten innert Sekunden die neusten Erkenntnisse aus der Forschung dazu – in Kurzform, auf Deutsch. Ausserdem ist eine von den Betreibern der Plattform erstellte Bewertung der Studie ersichtlich, die über die Qualität der Daten Auskunft gibt. «Anhand Risikoampeln und Qualitätssternen zeigen wir auf Basis wissenschaftlicher Kriterien, wie stark die Leserinnen und Leser den Ergebnissen vertrauen können», sagt Cornel Schiess.

Schnell und einfach

Die Legitimation von FIT-Nursing Care basiert auf zwei zentralen Gründen. Erstens liefert die Plattform exklusiv für den Pflegebereich schnell Antworten auf offene Fragen, zweitens sind diese Antworten einfach verständlich. Dies bestätigt Sarah Bolt, Pflegefachfrau der Kliniken Valens und aktuelle Pflege-Masterstudentin an der FHS: «Bei Fragen erhalte ich Antworten oder Hinweise, die sich auf den aktuellen Stand der Forschung beziehen. Somit brauche ich weniger Zeit zur Recherche und kann mich auf eine kompetente Beurteilung der Ergebnisse stützen.» Stützen in dem Sinne, da es für Pflegende wesentlich einfacher ist, ihren Patientenumgang dem jeweiligen Arzt mit einer Studie belegen zu können, als sich ohne wissenschaftliche Erkenntnisse rechtfertigen zu müssen. Doch wie gelangt die FIT-Plattform eigentlich zu ihren Daten?

Zum Pflegenden – und zurück

«Wir sammeln die Daten aus verschiedenen internationalen Datenbanken», sagt Andrea Kobleder, wissenschaftliche Mitarbeiterin der FHS. Jede einzelne Studie werde anhand wissenschaftlicher Standards genaustens geprüft und bewertet. «Die Resultate übersetzen wir, fassen sie zusammen und stellen sie auf der Plattform den Abonnenten zur Verfügung.» Die Auswahl der Studien hänge entweder von aktuellen gesellschafts- und pflegerelevanten Fragestellungen ab, oder aber von ganz spezifischen Anfragen von Pflegeinstitutionen. Praktisch: Es ist für jeden Abonnenten möglich, drei Fragen jährlich den Plattform-Betreibern einzusenden, damit diese wiederum eine wissenschaftliche Studie dazu finden. «So übernimmt FIT die Brückenfunktion zwischen und Forschung und Praxis», sagt Schiess. Die Plattform läuft unterdessen bereits fünf Jahre. «Viele Spitäler, Langzeitpflege- und Bildungseinrichtungen nutzen Fit-Nursing Care bereits.» Nun gelte es, die gebaute Brücke weiter zu stützen. Zurzeit sind über 700 Studien abrufbar, jährlich kommen rund 160 dazu.

DIE BETREIBERIN

FIT-Nursing Care wird von swissEBN betrieben, dem «Nationalen Kompetenzzentrum für Evidenzbasierte Pflege», das zum Institut für Angewandte Pflegewissenschaft der FHS St.Gallen gehört und von Prof. Dr. Beate Senn geleitet wird. SwissEBN zeigt in erster Linie auf, welches Wissen aktuell und verlässlich ist und beantwortet Fragen aus dem Pflegealltag. Einer von vier Bereichen ist die Dienstleistung FIT-Nursing Care. (hob)