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Brennpunkt

«Die Kommunikation ist der Mörtel»

Nathalie Schoch

Wer Partner, Arbeitgeber oder Geschäftskollegen sucht, sollte sie nicht auf Teufel komm raus an die Wand nageln wollen. Es braucht «handwerkliches» Geschick, um ein tragfähiges, nachhaltiges Netzwerk aufzubauen. Wie das gelingt und welche «Baustoffe» sich in der Arbeitswelt am besten eignen, erzählen vier Profis, die ihr Handwerk verstehen.

Jedes Haus gründet auf einem Fundament. Es hat die Aufgabe, die Lasten des Hauses zu tragen und den Menschen, die darin wohnen, Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Genau so verhält es sich auch beim Aufbau eines Netzwerkes. Man wünscht sich ein starkes Beziehungsnetz, das einen im Arbeitsalltag stützt. Die Frage ist nur, lässt es sich wie bei einem Haus nach klaren Baurichtlinien errichten?

«Was es mindestens braucht, ist das Teilen miteinander», findet Sebastian Wörwag, Rektor der FHS St.Gallen. Zum Beispiel eine Vision zu teilen, eine Idee oder Interessen. Zwingend sei aber die Kommunikation. «Wer eine Mauer baut, braucht Mörtel als verbindendes Element. Und in einem Team ist die Kommunikation der Mörtel», so Wörwag. Dort, wo die Kommunikation abbreche, falle das Netzwerk auseinander.

Das Netzwerken verfolgt nicht immer ein konkretes Ziel

Manche Leute sind in Gruppen und Netzwerken nur deshalb Mitglied, um kostenlos Tipps abzugreifen. Das kommt langfristig nicht gut an. Wer unentwegt Eigenwerbung macht oder immer nur fragt statt sich einzubringen, wird schnell merken, dass die Hilfsbereitschaft zerbröckelt. Beginnt man folglich am besten mit einem konkreten Ziel? «In themenfokussierten, professionellen Netzwerken ist es gar ein Anspruch von allen, dass konkrete Ziele beim Aufeinandertreffen verfolgt werden», sagt Peter Müller, Leiter der Wissenstransferstelle WTTFHS. Anders beim losen Networking. «Hier reicht es, wenn die Leute um mich herum wissen, was ich beruflich tue und dass ich meine Kenntnisse bei Bedarf anbieten kann.»

Menschen und ihre Netzwerke nicht «verzwecken»

Genau so sieht es Sebastian Wörwag: «Ich glaube, wir müssen uns davon verabschieden, hinter allem einen Zweck zu sehen und die Menschen und ihre Netzwerke zu verzwecken.» Das führe zur Instrumentalisierung – und Menschen liessen sich nicht gerne instrumentalisieren. «Es gibt Netzwerke, in denen der Zweck nur weich unterlegt ist, weil sie vielmehr mit Inspiration, Austausch und Dialog auskommen», so Wörwag.

Beim Apéro auf nachhaltige Kontakte anstossen?

Beim Stichwort «zwangsloses Networking» kommt unweigerlich das Thema Apéro und Anlässe auf den Tisch. Ist das «Get together» sinnvoll, um künftige Kolleginnen und Kollegen oder Partnerinnen und Partner zu gewinnen? Oder verläuft das ungezwungene Geplänkel schnell im Sand? «An der FHS St.Gallen kommen Studierende an verschiedenen Anlässen mit Ehemaligen in Kontakt und können sich so im Netzwerken üben. Schon öfters sind aus solchen Begegnungen Praxisaufträge für Diplomarbeiten entstanden», weiss Sigmar Willi, Leiter der FHS Alumni. Auch die Ehemaligen würden profitieren, bei über 3’000 Mitgliedern und rund einem Dutzend Anlässen. Nach so einem Fundus an Kontakten greifen zu können, erleichtere vieles im Berufsleben. 

Auch Peter Müller ist sich sicher, dass Veranstaltungen und Apéros die besten Möglichkeiten zum ungezwungenen Austausch sind: Je mehr die Chemie oder die Gesprächssubstanz stimme, desto höher sei die Nachhaltigkeit dieses Kontaktes.

Gemeinsame Interessen verbinden weltweit

«Über die Landesgrenzen hinaus wird das Netzwerken weit komplexer und der persönliche Kontakt umso wichtiger», sagt Karin Pfister, Leiterin des International Office Wirtschaft der FHS St.Gallen. Ihr Team vermittelt Bachelor-Studierende der Studienrichtung International Management sowie Master-Studierende in die ganze Welt. «Speziell im asiatischen Raum wird ein Vertrag oft erst nach mehrmaligen gegenseitigen Besuchen unterzeichnet», erzählt Pfister. Viele Partnerschaften mit Hochschulen seien an internationalen Konferenzen entstanden oder durch persönliche Beziehungen von Dozierenden. Genauso komplex ist das Netzwerk der Internationalen Bodenseehochschule, die mit 30 Mitgliedshochschulen den grössten hochschulübergreifenden Verbund Europas darstellt. Hier kommt der Mörtel wieder ins Spiel, so Sebastian Wörwag, Vorsitzender des IBH-Kooperationsrats. «Nebst Kommunikation braucht es den Willen, Bestandteil einer Region zu sein, Verantwortung für einen gemeinsamen Raum zu tragen, Interessen und Werte zu teilen.» Mit dem wertvollen Nebeneffekt, dass jede Hochschule einen Nutzen daraus ziehen kann, etwa wie bei den IBH-Labs, bei denen Forscher verschiedener Hochschulen zu einem Thema einen Beitrag leisten. Aber wie hält man ein so komplexes Gebilde aufrecht? Einerseits wieder durch den persönlichen Kontakt. «Andererseits gilt es Strategien und Projekte zu planen, damit man gemeinsame Ziele verfolgt», sagt Wörwag. Es sei ein Konsortium, das seit 15 Jahren gerne zusammenarbeite. «Von daher ist es ein Erfolgsmodell.»

Netzwerke sind kein Garant für Erfolg

Könnte man also behaupten, wer gut vernetzt ist, ist erfolgreicher? Sebastian Wörwag sieht das so: «Ein gutes Netzwerk ist ein Beitrag zum Erfolg, aber kein Garant. Ich denke, man darf nicht zu viel wollen. Es muss ein Geben und Nehmen sein. Das heisst, man sollte seine Erfahrungen und sein Wissen einbringen – und bekommt dafür vieles zurück.» Das lässt verdeutlichen, dass sich gegenüber früher nichts wesentlich verändert hat. Mit den Social-Media-Plattformen ist zwar eine neue Form des Netzwerkens dazugekommen, die für die Pflege zunehmend eine wichtige Rolle spielt, doch die Profis sind sich einig: Im Aufbau eines Netzwerks ersetzt noch immer nichts den persönlichen Kontakt.

DIE BAUSTOFFE FÜR DAS NETZWERK

So baut man sich laut den Expert/innen ein tragfähiges und erfolgreiches Netzwerk auf:

Neugierig und aktiv sein.

Interesse zeigen.

Nicht nur nehmen, sondern auch geben.

Eigene Erfahrungen einbringen. · Authentisch sein.

Bestehende Kontakte pflegen. 

Danach suchen, was man teilen will.

Aus der eigenen Komfortzone ausbrechen.

Berufspolitisch aktiv werden.

Sich in digitalen Netzwerken bewegen.

Nicht nur seinesgleichen suchen.

Werte mit anderen teilen.