Brennpunkt
In Zukunft werden die Kompetenzen weicher
Christian Jauslin
Die Arbeitswelt verändert sich und parallel dazu verändern sich die Kompetenzen, welche von den Arbeitskräften erwartet oder sogar verlangt werden. Basierend auf den Daten der ersten HR-Panel-New-Work-Studie, ermittelten die Forscher der FHS St.Gallen, welche Kompetenzen dies in Zukunft sein werden. Dabei wurde auch deutlich, dass die Unsicherheit bei der Gestaltung der zukünftigen Berufe eine grosse Herausforderung bleibt.
Niemand weiss, wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen wird und welche Arbeit die Arbeitskräfte ausüben werden. Aussagen zu den in Zukunft notwendigen Kompetenzen bewegen sich somit zwischen Annahmen und Erwartungen. Alexandra Cloots, Co-Leiterin des HR-Panels New Work an der FHS St.Gallen, beschreibt dies im Sammelband «Zukunft der Arbeit – Perspektive Mensch», erschienen mit Beiträgen, die im Zusammenhang mit dem 1. St.Galler New Work Forum entstanden sind (siehe auch Kasten), folgendermassen: «Weiter besteht […] wenig Wissen darüber, welche Tätigkeiten die Arbeit der Zukunft beinhalten. Daher ist es bisher weitestgehend schwierig, für die einzelne Person oder Organisation abzuleiten, welche Kompetenzen zukünftig benötigt werden.» Die gewonnenen Erkenntnisse sind somit Erwartungen, im Sinne von: Die Befragten listeten gewünschte oder erwartete zukünftige Tätigkeiten auf und leiteten die Kompetenzen ab, die sie stärken möchten, um diese Tätigkeiten bestmöglich ausüben zu können. Eine Annahme kann aber auch dadurch abgeleitet werden, dass man bedenkt, welche Aufgaben automatisiert werden. Die Mitarbeitenden konzentrierten sich dann in Zukunft auf die Aufgaben, welche nicht automatisiert werden und die Aufgaben, die neu entstehen, erklärt Cloots.
«Interkulturelle Kompetenz sowie digitale Medien- und Netzwerkkompetenz sind notwendige Kernkompetenzen in der Zukunft»
Beziehungskompetenzen gefragt
Sowohl die Interdisziplinarität wie auch die generelle Flexibilisierung der Arbeitsmodelle und -portfolios weisen darauf hin, dass in Zukunft Kompetenzen nötig sein werden, welche die Autoren der Studie als Beziehungskompetenzen zusammengefasst haben; dies im Gegensatz zu Methodenkompetenzen, zu welchen die mündliche und schriftliche Kommunikationskompetenz, die Selbstreflexions- und die Fachkompetenz zählen. Mitarbeitende allerdings erachten die Methodenkompetenzen als relevanter für Führungspersonen, was vielleicht dem Umstand geschuldet ist, dass Beziehungskompetenzen bereits heute für Führungspersonen wichtig sind. Gleichzeitig erwarten die Mitarbeitenden, dass der Inhalt ihres Arbeitsalltages in Zukunft mehr «arbeitend» als «gestaltend» und «entwickelnd» sein wird.
Zu den Beziehungskompetenzen, also den Fähigkeiten, die in Zukunft als wichtig erachtet werden, zählt Cloots die Virtuelle Teamkompetenz, novationskompetenz, die Koordinations- und Moderationskompetenz, Interkulturelle Kompetenz sowie Digitale Medien- und Netzwerkkompetenz; wobei Cloots die letzten zwei als mit Sicherheit notwendige Kernkompetenzen der Zukunft erachtet. Es sei aber noch zu ermitteln, ob unterschiedliche Fähigkeiten für Mitarbeitende und Führungskräfte in Zukunft notwendig seien, so Cloots. Gleichzeitig beschwichtigt sie aber auch: «Die Frage sollte nicht sein, ob ich mir als Mitarbeitende alle möglichen Kompetenzen aneignen muss. Einerseits weil ein Muss einen Zwang impliziert, und andererseits weil mein zukünftiges Arbeitsportfolio vielleicht nur einen Teil der aufgezählten Fähigkeiten verlangt.»
Wenn dies, dann das
Zwei Arten der Veränderungen prägen die Aussagen darüber, welche Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit und welche Art der Zusammenarbeit in Zukunft vorherrschen werden; wobei diese einer Ursache und einer Wirkung zugeschrieben werden können. Die Ursache für Entwicklungen ist die zunehmende Digitalisierung, und die Wirkung daraus sind eine verstärkte Projektorientierung sowie eine damit einhergehende offene Unternehmenskultur. Alexandra Cloots betont hier zwei Auswirkungen: «Das Rollenbild der Führungskraft wird sich verändern. Die starren Hierarchien werden sich auflösen, und in einer projektorientierten Unternehmung wird den Führungskräften vor allem die Koordination, die Motivation und die Steuerung der Mitarbeitenden zukommen.» Entsprechende Beziehungskompetenzen seien notwendig.
Prestige und Macht werden einer Führungsposition nicht mehr gleichermassen inhärent sein, so Cloots. Damit umzugehen, sei eine weitere Fähigkeit. Wobei Cloots relativiert: Durch länderspezifische Unterschiede dränge sich die Frage auf, wie die unterschiedlichen Kulturen und die Schweiz im Speziellen in Zukunft die Bedeutung von Hierarchien definieren.
Jede Veränderung der Kultur liege im Handlungsspielraum des Unternehmens: Dieses könne selber für sich aussuchen, welche Kultur es wünscht. Und bevor es eine Veränderung initiiere, könne das Unternehmen auch bereits Präventivmassnahmen für den Umgang mit der Veränderung ergreifen, zum Beispiel, indem es Kompetenzen fördert. Die Digitalisierung mache zwar unaufhaltsam Entscheide notwendig; welche Elemente der Digitalisierung übernommen werden, liege aber am Unternehmen selber. Ob angesichts aller stattfindenden kulturellen Veränderungen ein vollständiges Verwehren möglich sei, stellt Cloots infrage.
Projektorientierung aus Sicht der Mitarbeitenden bedeutet, dass jeder unterschiedliche Rollen ausüben werde: Eine Führungskraft kann auch mal Projektmitarbeiter sein; Mitarbeitende sind einmal in der Rolle als Fachexperten und ein anderes Mal für das Projektmanagement zuständig. Die Projekte finden häufig interdisziplinär statt, und eine generelle Flexibilität bezüglich Arbeitsportfolio wird notwendig sein. Alle diese Punkte stellen unterschiedliche Anforderungen an die Profile und Kompetenzen der Mitarbeitenden.
Mehr Zeit und genügend Raum
Die Studie hat auch ergeben, dass sich die Mitarbeitenden mehr Zeit wünschen, um sich zu entwickeln und neue Kompetenzen anzueignen. Womit sich die Frage stellt, wer dafür verantwortlich ist, dass die Rahmenbedingungen, die Finanzierung und die bereitstehende Entwicklungszeit vorhanden sind. «Beide, sowohl das Unternehmen wie auch die Mitarbeitenden», meint Cloots. Der Mitarbeiter müsse sich eigenverantwortlich die Frage stellen, was er für seine Berufsbefähigung brauche und was er erlernen wolle. Das Unternehmen müsse sich überlegen, wie sich die Arbeitsportfolios verändern werden, und welche Mitarbeitenden sich in welche Richtung entwickeln möchten.
Bei all diesen Soft-Skills möchte Cloots das Fachwissen jedoch nicht unerwähnt lassen: «Eigentlich brauchen die Mitarbeitenden in der Summe immer mehr Fachwissen, da sich dieses unglaublich schnell verändert.» Die Frage stelle sich jedoch, ob jeder das Fachwissen selber haben müsse, oder ob er nicht auch einfach so gut vernetzt sein kann, dass er jemanden kennt, der mit seinem Fachwissen aushelfen wird. Dieses wie auch die Soft-Skills müsse man sich nicht immer in einem schulischen Umfeld aneignen: «Alleine durch die Beobachtung meiner Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie durch den Kontakt über Disziplinen und Funktionen hinweg werden wir viel lernen und uns Kompetenzen aneignen», ist sich Alexandra Cloots sicher. Eine wichtige Kompetenz sei somit auch die Neugierde und die Offenheit, um über das eigene Arbeitsportfolio hinwegzublicken. Hier seien auch die Führungskräfte gefordert: dass diese den Mitarbeitenden die Wege freiräumten, damit sie die notwendigen Weiterentwicklungsschritte tun könnten.