Brennpunkt
Per Messenger-App die Innenstadt beleben
Das Internet und der Online-Handel haben unser Einkaufsverhalten verändert. Das spüren nicht nur die Geschäfte in den Innenstädten, auch der Stadtraum verändert sich. Der City Messenger will zur Belebung der St.Galler Innenstadt beitragen. Die Idee und das Konzept zur Messenger-App stammen vom Kompetenzzentrum Marketing Management der FHS St.Gallen.
Mit jedem leer stehenden Ladenlokal verschwindet etwas Leben aus der Innenstadt, geht ein Stück ihres individuellen Charakters verloren. Das mag den Spass an einem Einkaufsbummel schmälern, vor allem aber verändert es den Stadtraum. Statt quirliges Gewusel droht Verödung. Was wiederum Behörden, Politik und Gewerbe auf den Plan ruft. Zum Beispiel in St.Gallen. «Die Innenstadt ist der zentrale Ort beziehungsweise eine Bühne für das Zusammentreffen der St.Gallerinnen und St.Galler sowie für Arbeitnehmende und Gäste aus dem In- und Ausland», sagt Samuel Zuberbühler, Leiter Standortförderung der Stadt St.Gallen. Hier konzentriere sich die St.Galler Essenz aus Lebensqualität, Urbanität, Historie und Lebendigkeit. Die Innenstadt sei eine Art Gegenpol zur digitalen Welt. Damit das so bleibt, muss St.Gallen dem veränderten Einkaufsverhalten und dem Einkaufstourismus wirksam begegnen.
Viele Ansprüche erfüllen
Kein einfaches Unterfangen, muss eine Innenstadt doch den unterschiedlichsten Erwartungen gerecht werden. «Sie ist sowohl Zuhause als auch Treffpunkt, Arbeits- sowie Freizeitort und war schon immer der Ort, an dem all diese Ansprüche aufeinandertreffen und das Stadtleben stattfindet», sagt Samuel Zuberbühler. Eben weil die Innenstadt privater und öffentlicher Raum ist, wird es immer schwieriger, ihn zu bespielen. Er soll lebendig und gut erreichbar sein, ein vielfältiges Angebot aufweisen. Nur: «Den gestiegenen, hohen Erwartungen steht eine tiefe Toleranz gegenüber. Über Themen wie Öffnungszeiten oder Parkplätze gehen die Meinungen auseinander», sagt Ralph Bleuer, Präsident der Vereinigung Pro City St.Gallen. Umso schwieriger sei es, eine Mehrheit zufriedenzustellen.
Eine Stadt lebt von Menschen
Wie aber gelingt es, den Stadtraum zu beleben? Das Wichtigste sind die Menschen. «Nur sie können die St.Galler Innenstadt als Lebensraum von historischer Bedeutung nutzen, beleben und bereichern», sagt Samuel Zuberbühler. Umso wichtiger sei es, die lokale Bevölkerung aktiv zu involvieren und so die zukünftige Belebung der Innenstadt nachhaltig zu sichern. «Jede und jeder ist dafür verantwortlich, dass die St.Galler Innenstadt auch in Zukunft ein Treffpunkt ist, ob im Café, im Laden oder an einer Veranstaltung.»
Einfacher, schneller, direkter
Hier setzt der City Messenger des Kompetenzzentrums Marketing Management am Institut für Unternehmensführung der Fachhochschule St.Gallen an. Er funktioniert ähnlich wie der vor allem privat genutzte Messenger-Dienst WhatsApp. Betriebe können ihre Kundschaft mit Text- und Bildnachrichten über Neuheiten, Aktionen, Empfehlungen und Anlässe informieren – schnell, einfach und direkt. «Jede Nachricht soll die Menschen zu einem Besuch in der Innenstadt motivieren. Dies ist das oberste Ziel», sagt Projektleiterin Sigrid Hofer-Fischer.
Persönliche Nachrichten erlauben es den Betrieben, direkt mit ihrer Kundschaft zu kommunizieren. «Ein Optiker zum Beispiel kann der Kundin mitteilen, dass die neue Brille abholbereit ist. Per Messenger-App erreicht er sie jederzeit, was telefonisch nicht immer der Fall ist», sagt Sigrid Hofer-Fischer.
Die Nutzerinnen und Nutzer ihrerseits erfahren über den City Messenger, was die Geschäfte, Restaurants und Institutionen in der Innenstadt zu bieten haben. Und sie können unmittelbar antworten. Zum Beispiel um zu fragen, ob ein bestimmtes Produkt vorrätig ist, oder um einen Tisch zu reservieren, rund um die Uhr und unabhängig von Öffnungszeiten.
City Engagement steigern
Der City Messenger ist im Oktober mit über 30 Betrieben gestartet. Das durch die Innosuisse mitfinanzierte Forschungsprojekt ist ein Pilot und dauert bis Januar 2021. «Die Innenstadt ist die Seele des menschlichen Zusammenseins. Wir wollen wissen, wie die Digitalisierung zur Belebung beitragen kann», sagt Sigrid Hofer-Fischer. Mit dem City Messenger soll die Bevölkerung auf das Angebot der Innenstadt aufmerksam gemacht werden. Dabei untersucht die FHS St.Gallen, wie sich die Wahrnehmung der Innenstadt in der Bevölkerung durch die Nutzung der App verändert. Im Vorfeld führte sie deshalb eine Image-Umfrage durch, die im Herbst 2020 wiederholt werden soll.
Ebenfalls Gegenstand der Forschung ist, wie der Messenger das «City Engagement» steigern kann, also wann Käufe getätigt und Inhalte geteilt werden, und ob die Frequenzen in der St.Galler Innenstadt insgesamt steigen.
Eigenen Messenger entwickelt
Bei den Partnern, der Standortförderung, Pro City St.Gallen und den Betrieben, stiess das Forschungsprojekt der FHS auf offene Türen. Zumal es ideal zum vor drei Jahren gestarteten Projekt «Zukunft St.Galler Innenstadt» passt. Gemeinsam ging es an die Umsetzung. Samuel Zuberbühler ist vom Erfolg überzeugt: «Die Konsumentinnen und Konsumenten von heute erwarten eine sofortige Reaktion wie sie diese vom Online-Handel her kennen. Der City Messenger vernetzt die Bevölkerung digital mit den lokalen Läden, Restaurants und Institutionen. So fördert er den unkomplizierten Kontakt und bringt uns zusammen.»
Ein erster Erfolg ist das rege Engagement bei den St.Galler Betrieben. «Innovationen interessieren mich grundsätzlich. Der City Messenger ist etwas Neues in St.Gallen, da wollen wir dabei sein», sagt Mirjam Hadorn, Geschäftsführerin der Stiftung Lokremise. «Es ist wichtig, dass wir uns als Kulturzentrum aktiv einbringen. Für eine lebendige Stadt braucht es Kultur.» Auch Dominic Krähenbühl, Uhrmacher beim Juwelier Frischknecht, ist angetan: «Wir können unsere Kundinnen und Kunden schnell und direkt erreichen. Einfacher als per E-Mail oder mit einer Nachricht auf die Combox, die vielleicht nicht gelesen oder abgehört werden.»
Ralph Bleuer hofft, dass weitere Betriebe aufspringen und der City Messenger viele Nutzerinnen und Nutzer erreicht. «Eine Innenstadt ohne Geschäfte kommt letztlich einer Kulturvernichtung gleich.»