Brennpunkt
Dort, wo die Schweiz «Luxembourg City» heisst
Basil Höneisen
Ob in den USA, Chile oder Japan: Die FHS St.Gallen ist interessiert an Partnerschaften mit internationalen Hochschulen. Für die Akquise reisen FHS-Repräsentanten im Auftrag des International Office IO-FHS regelmässig in andere Länder. Kürzlich waren Sigmar Willi* und Thomas Metzger** in Ostasien. Im Interview erzählen sie von interkulturellen Herausforderungen und wie sich eine kleine Fachhochschule in der grossen Welt behauptet.
Sigmar Willi und Thomas Metzger, kennt man die FHS in Asien?
Sigmar Willi: Punktuell schon, aufgrund von Partnerschaften mit einzelnen Hochschulen. Also dort, wo wir regelmässig vor Ort sind und persönliche Kontakte pflegen. Aber je nach Breitengrad wissen viele nicht einmal, wo die Schweiz liegt. Kürzlich besuchten wir eine malaysische Universität, die ein riesiges Plakat einer Weltkarte in ihrem International Office aufgehängt hat. Die Schweiz ist dort als «Luxembourg City» angeschrieben. Erfahrungsgemäss können wir nur vor Ort auf uns aufmerksam machen und Missverständnisse klären.
Man würde doch meinen, der Schweiz mit ihrem hohen Bildungsstandard eile dieser Ruf voraus.
Willi: Das hängt sehr von den einzelnen Ländern und ihren Regionen ab. Die grossen Schweizer Universitäten sind teils bekannt. Was wir allerdings oft erleben ist, dass insbesondere Studierende aus dem angelsächsischen Raum eher Paris, Barcelona oder London im Kopf haben, wenn sie schon nach Europa reisen. Und wenn doch Schweiz, dann höchstens nach «Zurich» oder «Geneva». St.Gallen ist viel unbekannter. Aber das ist nicht tragisch für uns.
Inwiefern?
Willi: Weil die FHS grundsätzlich nicht die Strategie verfolgt, möglichst international zu werden. Wir konzentrieren uns auf die Bedürfnisse der Ostschweiz.
Wo liegt darin der Mehrwert?
Thomas Metzger: Für uns stehen Ostschweizer Firmen im Fokus, die international tätig sind. Mit solchen Firmen gleisen wir beispielsweise Praxisprojekte auf, über die international gemischte Studierendenteams aufgrund realer Problemstellungen des Unternehmens im Ausland konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten. Diese Projekte sind aus Sicht der FHS ein grosser Mehrwert. Unsere Partnerhochschulen kennen solche, konsequent auf Anwendung orientierte Module nicht und sind jeweils sehr daran interessiert, ihren eigenen Studierenden den Zugang dazu zu ermöglichen. So konnten wir schon viele namhafte ausländische Hochschulen für eine Partnerschaft mit uns motivieren.
Dann geht es bei internationalen Partnerschaften primär um Austausch-Studierende?
Metzger: Grosse Hochschulen und Universitäten zielen in ihren Verträgen auf mehr ab, internationale Programme zum Beispiel. Die FHS strebt momentan vor allem den Studierenden-Austausch an. Solche Verträge erlauben es uns, FHS-Studierende zu Partnerhochschulen zu senden und im Gegenzug deren Studierende bei uns aufzunehmen. Aufgrund der Partnerschaft fallen für die Studierenden lediglich Kosten für Essen und Wohnen an, aber keine zusätzlichen Semestergebühren. Damit entsteht für die Studierenden und die beteiligten Hochschulen eine Win-Win-Situation. Darüber hinaus pflegen wir auch immer wieder einen Austausch von Dozierenden. Vereinzelt sind auch schon gemeinsame Publikationen für Forschungsprojekte entstanden.
Solche Partner müssen erst einmal gefunden werden. Waren Sie in Malaysia erfolgreich?
Willi: Ja. Eine aktuell noch bestehende Partnerschaft mit einer taiwanesischen Universität ist unbefriedigend, weshalb wir nach einer anderen Hochschule in Taiwan Ausschau hielten und Kontakte knüpften. Mit Erfolg.
Indem Sie einfach ein Meeting vereinbart und einmal vorbeigeschaut haben?
Willi: Wenn es so einfach wäre! Wir waren an einer grossen Konferenz, bei der sich Länder und Hochschulen mit Standplätzen präsentieren. Da versucht man, ins Gespräch zu kommen und Verträge auszuhandeln.
«Hi guys, nice suits!» – So würde ich wohl versuchen, in ein solches Gespräch zu kommen.
Metzger: In Asien lässt sich das Eis leider nicht mit einem lockeren Spruch brechen. Es braucht einiges an interkulturellem Verständnis, um in anderen Kulturkreisen erfolgreich zu sein. Grundsätzlich gilt es gerade im asiatischen Raum wahres Interesse zu zeigen. Asiaten sind extrem höflich und eher distanziert. Es wirkt kontraproduktiv, mit unserer westlich geprägten direkten Art «mit der Tür ins Haus zu fallen». Es gilt vor allem zuerst einmal zuzuhören. Aber auch Gate-Openers können helfen.
Gate-Openers?
Metzger: Genau, das können gewisse kulturelle Gepflogenheiten sein, aber auch Formalitäten wie Akkreditierungen. AACSB zum Beispiel ist für Hochschulen mit Wirtschaftsfakultäten eines der wichtigsten Zertifikate. An grössere oder wirklich gute internationale Universitäten kommt man viel einfacher heran, wenn diese Akkreditierung gezeigt werden kann. Gerade auch deshalb sind wir momentan daran, diese Akkreditierung für die FHS zu erreichen.
Inwiefern war eure letzte Reise sonst noch lohnenswert?
Willi: Wir konnten uns vor Ort über die Qualität unserer neuen Partnerschule in Kuala Lumpur überzeugen, führten drei sehr spannende Gespräche mit potenziellen taiwanesischen Partnerhochschulen und mehrere Status-quo-Meetings mit bestehenden Partnern. Ausserdem mussten wir bei der konservativen japanischen Universität Rikkyo Vertrauen schaffen, um das Senden des allerersten Incomings zu uns an die FHS nicht zu gefährden.
Ist es schwierig, an gewisse Incomings zu gelangen?
Willi: Sehr! Die Schweiz ist im weltweiten Vergleich sehr teuer, Englisch ist nicht unsere Landessprache und St.Gallen kennt niemand. Ausserdem müssen wir Studierenden, die sich an 30'000-Studenten-Areale gewohnt sind, die Stadt St.Gallen als unseren Campus verkaufen.
* Prof. Sigmar Willi: Gründer und Entwickler des International Office der FHS St.Gallen
** Prof. Thomas Metzger: Leiter des Studienbereichs Lehre im Fachbereich Wirtschaft der FHS St.Gallen