Archivausgabe
Zu Besuch bei Karin Müller

Im Laufschritt den Innovationen entgegen

Lea Müller

Sie hat als Pharma-Assistentin angefangen und treibt heute Innovationen im Pharmagrosshandel voran. FHS-Alumna Karin Müller ist eine Macherin. Eine, die weiss, wie der Spagat zwischen Effizienzdenken und Freiräumen gelingen kann. Ihr privates Glück findet sie auf dem Rücken ihres Pferdes – und ist bereit, dafür auch auf einiges zu verzichten.

Die Türe öffnet sich schwungvoll, ­Karin Müller kommt zielstrebig auf die Besucher in der grossen Empfangshalle der Voigt AG in Romanshorn zu. Ihr Händedruck ist warm und fest. Seit genau 20 Jahren arbeitet sie für das Familienunternehmen in 4. Generation, das in der Pharmabranche tätig ist. Aktuell in der Funktion der Leiterin Innovationsmanagement.

Wechsel zwischen zwei Rollen

In ihrem Büro erzählt die 48-Jährige, dass sie in diesem Raum vor drei Jahren ganz neu angefangen hat: «Im noch leeren Büro hatte ich nicht mehr und nicht weniger als eine A4-Seite mit meinem Funktionsbeschrieb.» Karin Müller konnte das Innovationsmanagement der Voigt AG auf der grünen Wiese aufbauen. Und die Bauten auf dieser grünen Wiese wachsen immer höher. Einige Projekte sind noch nicht spruchreif, einige bereits umgesetzt. So zum Beispiel die Erweiterung der Logistikdienstleistungen des Unternehmens. Die Voigt AG beliefert als Partnerin des Fachhandels bis zu drei Mal täglich Apotheken und Drogerien. Einige Kunden planen aufgrund des zunehmenden E-Commerce eigene Onlineshops. Hier springt die Voigt AG mit ihrer neuen Dienstleistung ein: Sie liefert auf Wunsch der Kunden auch direkt zu deren Endkunden aus –  und zwar schneller und günstiger, als wenn die Ware zuerst einen Zwischenstopp bei den Shopbetreibern macht.

Viele Ideen in der Pipeline zu haben, bringt noch nicht viel. Man muss sie nachhaltig zum Fliegen bringen.

Zwei Rollen hat Karin Müller sich selbst gegeben: Innovatorin und Förderin. Als Innovatorin entwickelt sie selbst Ideen, setzt sich intensiv mit dem Markt und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander und liefert Entscheidungsgrundlagen für Innovationen. Die FHS-Alumna ist viel unterwegs, tauscht sich mit Personen innerhalb und ausserhalb der ­Branche aus. «So bin ich nahe am Puls.» Sie betont, dass sie nicht die einzige Innovatorin im Unternehmen sei. «Die Rolle ist für alle Mitarbeitenden gedacht. Es ist mir wichtig, das Innovationsmanagement im Unternehmen zu verankern.» So hat sie zum Beispiel das interne, eingeschlafene Ideenmanagement wieder auf Trab gebracht. Im ersten Jahr reichten Mitarbeitende 22 Ideen ein; vier davon wurden bereits umgesetzt.

Der Rolle der Förderin misst ­Karin Müller noch etwas mehr Bedeutung bei: «Viele Ideen in der Pipeline zu haben, bringt noch nicht viel. Man muss sie nachhaltig zum Fliegen bringen.» Dafür sei die Innovations­fähigkeit des Unternehmens sowie ein funktionierendes Projektportfoliomanagement zentral. Ziel bei Letzterem sei es,  aus Unternehmenssicht an  «den richtigen Projekten»  zu arbeiten. Das heisst auf diejenigen Projekte zu fokussieren, die den grössten Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten. Im Januar 2019 hat ­Karin Müller zusätzlich die Funktion der  ­Projektportfolio-Managerin bei der Voigt AG übernommen.

Über den Tellerrand geschaut

Karin Müller ist eine Macherin. Eine, der man ein Stichwort «zuwerfen» kann und sie macht etwas daraus. Ihre Devise: «Gut planen, loslegen und umsetzen.» Sie spricht konzentriert und wählt ihre Worte bedacht. Die grüne Wiese des Innovationsmanagements in der Voigt AG sei anfangs eine Herausforderung gewesen, gesteht sie. Damals hatte sie nach 17 Jahren die Gesamtleitung Einkauf abgegeben und wechselte vom operativen, dynamischen Tagesgeschäft mit einem grossen Team zu Aufgaben strategischer Natur und einer Funktion, in welcher sie nicht in einem festen Team arbeitet. «Für mich war klar: Ohne Erfahrung im Innovationsmanagement kommt das nicht gut.» Sie entschied sich, eine Weiterbildung an der FHS St.Gallen zu machen: den Master in Corporate Innovation Management. Durch die Weiterbildung habe sie Gelegenheit erhalten, über den Tellerrand hinaus zu schauen, Ideen «challengen» zu lassen und von den Erfahrungen der Studierenden und Dozierenden zu profitieren.

Ein Blick in das CRM-System der FHS zeigt: Karin Müller hat schon eine lange Liste an Weiterbildungslehrgängen und Seminaren absolviert. Darauf angesprochen, lacht sie. «Ich bin ein sehr neugieriger und wissbegieriger Mensch.» Von ihren Chefs sei sie immer bestärkt worden, erzählt sie. Als gelernte Pharma-Assistentin begann sie nach der Lehre, in der Hongler Apotheke in St.Gallen zu arbeiten. Peter Hongler sei ein strenger, aber sehr innovativer Apotheker gewesen. Er förderte seine Mitarbeitenden und ermutigte sie, sich weiterzubilden und in Projekten mitzuwirken. Nach acht Jahren wechselte Karin Müller zur ­Voigt AG als Abteilungsleiterin Medical. Schon nach circa eineinhalb Jahren ging es auf der Karriereleiter einen grossen Sprung nach oben. Sie übernahm die Gesamtleitung Einkauf und machte parallel eine Weiterbildung zur Marketingplanerin mit eidgenössischem Fachausweis. Später ermutigte sie der Geschäftsleiter der Voigt AG, Jakob Küng, den Executive Master of Business Administration (EMBA) an der FHS St.Gallen zu absolvieren.

Wenn ich im Sattel sitze, ist mein Fokus ganz auf dem Hier und jetzt.

Drei Stunden pro Tag im Stall

Karin Müller ist eine Frau, die beruflich im Laufschritt unterwegs ist. Privat mag sie durchaus auch Trab und Galopp: Das Reiten ist ihre grosse Leidenschaft. Pro Tag verbringt sie im Schnitt drei Stunden mit ihrem Pferd Viani, einem Trakehner-Wallach. Fast jeden Abend reitet sie mit ihm aus oder arbeitet dressurmässig in der Reithalle. Gibt es weitere Hobbys? Karin Müller lacht und schüttelt den Kopf. Neben Lebenspartner, Pferd und zwei Hunden bleibe kaum noch Zeit für ihre Freunde, geschweige denn für andere Hobbys. Aber so sei sie: «Wenn ich etwas mache, dann nicht nur ein Bisschen, sondern richtig.» Auch wenn das für die Hefenhoferin bedeutet, auf Ferien im Ausland zu verzichten.

Ihre Passion für das Reiten entdeckte Karin Müller in jungen Jahren, als ihre Familie neben einen Pferdehof zog. «Ich habe den grössten Teil meiner Kindheit im Stall verbracht.» Als Erwachsene wurde sie selbst Pferdebesitzerin. Viani ist seit 15 Jahren Teil ihres Lebens. An die erste Begegnung erinnert sie sich genau. Der Trakehner hatte einen schwierigen Start ins Leben und war entsprechend schwierig zu reiten. Als eine Profireiterin ihn vorführte, warf er diese schnell wieder ab. «Ich bin von Natur aus nicht die mutigste Reiterin», gesteht Karin Müller. Aber sie habe keine Sekunde lang gezögert, auf Viani zu steigen. «Wir hatten von Anfang an eine spezielle Verbindung.»

Mit viel Geduld erarbeitete sie sich eine Vertrauensbasis mit Viani. Geholfen hat sicher, dass sie eine berechenbare, nicht impulsive Person ist. Das eingeschüchterte Pferd fasste wieder Vertrauen in Menschen und ist heute ein «treuer Freund». Beim ­Reiten kann die Innovationsmanagerin nach einem langen Tag im Büro abschalten. Über Ideen denke sie dann aber nicht nach, betont sie. «Wenn ich im Sattel sitze, ist mein Fokus ganz auf dem Hier und Jetzt.»

Es gibt immer eine Lösung

Mit den Berufs- und Lebensjahren hat Karin Müller Gelassenheit im Umgang mit Herausforderungen gewonnen. Im Innovationsmanagement auch Zuversicht: «Es gibt immer eine Lösung. Man muss nur die richtigen Methoden  anwenden und vor allem die richtigen Menschen einbeziehen.» Die Zuschreibung, perfektionistisch zu sein, höre sie nicht mehr so oft, erzählt sie schmunzelnd. «Ich gebe mich nicht so schnell zufrieden und hinterfrage die Dinge kritisch. Aber ich habe auch gelernt, eine Fünf gerade stehen zu lassen.» Der Innovationsmanagerin gelingt der Spagat zwischen dem Effizienzdenken in einem dynamischen Umfeld und den Freiräumen, die für Innovationen nötig sind.

Fotos Karin Müller mit Pferd: Katia Stuppia

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