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Persönlich

Von Menschen, Maschinen und Muskelkraft

Malolo Kessler

Stehenbleiben wäre für ihn ein Horror. Jonas Hubmann, Wirtschaftsinformatiker und FHS-Alumnus, ist stets in Bewegung, privat als auch beruflich. Für seinen Arbeitgeber beschäftigt sich der 27-jährige Ausserrhödler mit der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine – was ihn auch schon ins Silicon Valley verschlagen hat. 

Er hatte sich alles bunt vorgestellt. Leuchtend, pulsierend, lebendig. Doch als er da war, am bedeutendsten aller bedeutenden Hightech-Standorte der Welt, in der Wiege von Apple, Facebook und Tesla, war alles ganz anders. Dort, wo täglich Milliarden­­investitionen getätigt und Träume begraben werden, dort, wo er die nächsten Monate arbeiten sollte, sah alles ganz normal aus. Da gab es Wohnsiedlungen mit klassischen amerikanischen Häusern und Garagen, aber keine Industrie, keine Hochhäuser. Und Jonas Hubmann fragte sich: Ist das hier jetzt wirklich das Silicon Valley?

Jetzt, vier Monate später, muss der Wirtschaftsinformatiker lachen, wenn er daran zurückdenkt. Der FHS-Alumnus sitzt am Rande eines Street-Workout-Platzes an seinem Wohnort Winterthur. Hier erzählt er, wieso es ihn ins Silicon Valley verschlagen hat und weshalb er nicht Dozent geworden ist – vielleicht noch nicht.

Mit der Lehre geliebäugelt

Jonas Hubmann ist im ausserrhodischen Gais aufgewachsen. In «quasi einer Zweier-WG», wie er sagt, gemeinsam mit seinem Vater. Seine Eltern lebten getrennt, er ist ein Einzelkind. «Deshalb sehe ich meinen Freundeskreis seit jeher auch als Familie», sagt der 27-Jährige. Er absolvierte eine Mediamatiker-Lehre und anschliessend die kaufmännische Berufsmatur. Nach einem Zwischenjahr mit Rekrutenschule und Sprachaufenthalt in den USA entschied sich Hubmann für ein Studium an der FHS. «Mir war es wichtig, in der Region zu bleiben.» Er zog nach St.Gallen, machte zwischen 2013 und 2016 den Bachelor in Business Administration mit Vertiefung in Wirtschaftsinformatik. «Die Studienrichtung hat mich interessiert, weil sie sich um Mensch und Maschine dreht und sich mit der Nahtstelle zwischen Business und IT befasst.» Mit der Position an dieser Nahtstelle könne er sich sehr gut identifizieren, sagt er. «Ich bin ein Übersetzer zwischen beiden Welten. In meinem Verständnis wird es künftig keine klassische Betriebswirtschaft mehr geben, da die IT bereits alle Bereiche eingenommen hat, sowohl privat wie auch im Berufsalltag.» Während des Bachelor-Studiums habe er nebst dem persönlichen Austausch insbesondere die Praxisorientierung geschätzt. Er entschied sich, den Master in Business Informatics anzuhängen, den die FHS gemeinsam mit den Hochschulen Zürich, Bern und Luzern anbietet.

Als Wirtschaftsinformatiker sehe ich mich als Übersetzer zwischen zwei Welten.

Daneben arbeitete Hubmann in einem 70-Prozent-Pensum als Wissenschaft­licher Mitarbeiter im Institut für Information und Prozessmanagement IPM-FHS, wo er etwa die ­«eBusiness Challenge» organisierte und Tutoratsvorlesungen hielt. Eine Weile liebäugelte er mit der Lehre, mit einer akademischen Karriere – «einfach, weil mir der Draht zu anderen Menschen wichtig ist». Er machte einen CAS in Hochschuldidaktik, legte den Plan dann aber ad acta: «Ich fühlte mich zu jung, um als Dozent vor Studierenden zu stehen. Ein Dozierender sollte wissen, ­wovon er spricht und auch prak­tische Erfahrung mitbringen.»

FHS Alumni

Die Ehemaligen-Organisation der FHS St.Gallen ist ein wachsendes Netzwerk von 3000 aktiven Mitgliedern sowie Studierenden-­Mitgliedern. Ehemalige und aktuelle Studierende bleiben unterein­ander und mit der Hochschule verbunden. Kontakte pflegen und neue knüpfen, innerhalb des eigenen Fachbereichs sowie interdisziplinär: Socializing ist bei Alumni-Veranstaltungen sowie beim grös­sten und öffentlichen Anlass, dem Networking-Tag, möglich. Auf den Social-Media-Plattformen Xing, LinkedIn, Facebook und Ins­tagram finden sich unter «FHS Alumni» spannende News rund um das Ehemaligen-Netzwerk.

www.fhsalumni.ch

Mit dem eigenen Körpergewicht

Als Ausgleich zu seinem Beruf macht Jonas Hubmann Sport. Er fährt Snowboard, spielt Fussball, macht Fitness, hat Breakdance und Salsa getanzt. Seit drei Jahren macht er Street Workout. Ihn fasziniert, nur mit dem eigenen Körpergewicht zu trainieren, ganz ohne Maschinen. «Und das im Freien, das macht einfach sehr viel Spass.» Drei bis vier Mal pro Woche besucht er Street-Workout-Plätze, manchmal trainiert er alleine, manchmal mit anderen. Ihm gefalle das Soziale, aber auch das Kompetitive. «Im Street Workout kann man sich sehr gut entwickeln und auf ein Ziel hinarbeiten.» Und schliesslich sei es auch noch gratis, sagt Hubmann und lacht.

Ein Lebenslauf mit Superlativen

Der FHS-Alumnus ist ein Mann mit einem Plan. Hubmann denkt vor und mit, ist ehrgeizig. Spricht er über seinen Beruf, werden die Gesten ausholender, die Anglizismen branchen­bedingt mehr. Stehenbleiben, sagt er, wäre für ihn ein Horror. Seinen Lebenslauf ziert der eine oder andere Superlativ. 2018 hat er den besten Masterabschluss gemacht, die beste Master-Thesis geschrieben. Danach bewarb er sich bei der Swisscom für ein Trainee-Programm, zusammen mit etwa 300 anderen Bewerber­innen und Bewerbern. Als einer von elf und als Einziger mit Hochschul- und nicht Universitätsabschluss wurde er – «nachdem ich am Assessmenttag eher ein wenig durch den Prozess gestolpert war» – ins Programm aufgenommen. Und von diesen elf wiederum war Hubmann der Einzige, der im Rahmen dieses Trainee-Programms ins Silicon Valley durfte. «Im Swisscom­-Outpost recherchierte ich dann zum Beispiel, inwiefern das Thema  Blockchain  für Swisscom strategisch relevant sein könnte, oder welche Innovationen und Start-ups interessant für den Schweizer Markt wären.»

Mitte Mai ist Hubmann zurückgekehrt in die Schweiz, von seinem Apartment im 13. Stock in San Francisco zurück in die WG in Winterthur. Er hat das Trainee-Programm fertig absolviert und arbeitet jetzt als Product Owner bei Swisscom, wo er sich insbesondere mit dem Thema «Voice» beschäftigt, mit automatisierter Spracherkennung für den Businessbereich. «Noch haben viele Menschen Respekt davor, mit einer Maschine einen scheinbar unnatürlichen Dialog zu führen, was verständlich ist. Auch Datenschutz ist ein wichtiges Thema. Ich bin aber überzeugt davon, dass der Voice-Kanal in Zukunft grosse Relevanz haben wird.» Sein berufliches Ziel in langfristiger Hinsicht sei, Menschen in die digitale Welt zu begleiten und die damit verbundene Komplexität zu bewältigen.

Die Arbeitskultur, sagt Jonas Hubmann, sei in den USA ganz anders als in der Schweiz. «Alles geht schneller, alles ist explorativer.» Auch sei er davon ausgegangen, dass alle immer sehr offen seien und aufeinander zugingen. «Das habe ich nur wenig gespürt. Die Leute waren dann offen, wenn sie an einem Networking-Event waren, mit dem Ziel, ein Geschäft abzuschliessen oder Kapital für den Aufbau ­ihres Start-ups zu gewinnen.» An anderen Orten Locals kennenzulernen, sei schwieriger gewesen. «Da muss man selbst sehr offen sein.» Das ist er, der von sich sagt, er habe auch bei Apéros an der FHS eher zu denen gehört, die zuletzt gingen. In San Francisco schloss sich Hubmann einem Fussballverein an, traf regelmässig Freunde, die er schon im Zwischenjahr kennengelernt hatte.

Noch haben viele Menschen Respekt davor, mit einer Maschine einen scheinbar unnatürlichen Dialog zu führen.

Und obschon das Silicon Valley weniger bunt, weniger leuchtend, ­weniger pulsierend war, als er sich das vorgestellt hatte: Die Firmenbesuche, etwa bei Netflix, Google, Tesla und Facebook, seien sehr eindrücklich gewesen. «Ich konnte die unterschiedlichen Firmenkulturen hautnah miterleben.» Bei Tesla und Apple beispielsweise durfte er gar nichts vom Unternehmen sehen, er und die anderen Besucher hätten in einem Neben­raum im Tesla-­Hauptquartier in Palo Alto einfach eine Diskussion mit ­einem Geschäftsleitungsmitglied geführt. Bei Netflix hingegen habe ein Entwickler eine Führung durch alle Räume gemacht. Die Digitalisierung sei im ­Silicon ­Valley und allgemein in der Bay Area überall präsent, erzählt Hubmann weiter. «Es gibt Robo-Polizisten, die Autos auf der Strasse fahren vorwiegend für Uber oder Lyft und überall sind E-Scooter und E-­Velos ­unterwegs.»

Während zehn Jahren hat der Wirtschaftsinformatiker Schlagzeug gespielt, zwischendurch auch in Bands. Momentan spiele er vor allem wieder für sich selbst, mit einer E-Drum. «Ein mittelfristiges Ziel für mich ist, wieder eine Band zu gründen.» Und ein eigenes Start-up. Gerne würde er auch eine Weile im Ausland arbeiten. Und weil Jonas Hubmann ein Mann mit einem Plan ist, hat er auch bereits einen fürs Altwerden: Das will er dereinst in einer Alters-WG. Mit seinen Freunden, die ihm Familie zugleich sind.

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