20 Jahre FHS St.Gallen – 20 Porträts

Modellbauer zwischen Realität und Simulation

Marion Loher

Ein «glücklicher Zufall» brachte ihn an die FHS St.Gallen, mittlerweile leitet der gebürtige Niederländer Harold Tiemessen seit sechs Jahren das Institut für Modellbildung und Simulation. Der studierte Mathematiker fühlt sich an der Hochschule pudelwohl, «wie in einer Grossfamilie».

Es sind die Berge, die Harold Tiemessen und seine Frau vor gut zwölf Jahren von ihrer Heimat, den Niederlanden, in die Schweiz gezogen haben. Und ein Job. Aber nicht jener an der FHS. Harold Tiemessen arbeitete zunächst am IBM-Forschungslabor in Rüschlikon. «Zur FHS kam ich durch einen glücklichen Zufall», sagt der heute 46-Jährige. Er hatte sich für eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter beworben, die dann anderweitig besetzt wurde. Gleichzeitig stand aber der damalige Leiter des Instituts für Modellbildung und Simulation kurz vor seiner Pensionierung. Harold Tiemessen wurde empfohlen, sich für dessen Nachfolge zu bewerben. Was er auch tat – und er bekam den Job, den er nun seit gut sechs Jahren ausübt.

Der gebürtige Niederländer hat Mathematik studiert, sie fasziniert ihn seit seiner Kindheit. «Irgendwann wurde mir das Ganze dann aber doch zu theoretisch – und zu langweilig.» Also suchte er nach etwas, das ihm erlaubte, kreativer zu sein. Und dies fand er in der Technik der Simulation und Modellbildung. «Für mich ist sie die ideale Kombination aus koordinativem Denken und kreativem Handeln», sagt der Institutsleiter. Angewendet wird die Technik oft in der Logistik. Als Beispiele nennt er den Paketversand oder den Zugsverkehr. «Wir entwickeln Modelle, die zeigen, wie am besten reagiert werden kann, wenn etwa im Bahnsystem Störungen auftreten und Züge umgeleitet oder ersetzt werden müssen.»

Aber auch im Gesundheitsbereich werde vielfach mit Modellen und Simulationen gearbeitet, und gerade in einer Krise wie der Corona-Pandemie noch viel mehr. «Wir modellieren zum einen die Verbreitung von Epidemien. Zum anderen versuchen wir simulativ darzustellen, was Spitäler in aussergewöhnlichen Situationen machen sollen, wie viele zusätzliche Betten sie beispielsweise benötigen.» Mit ihrer Arbeit liefern Harold Tiemessen und sein Team den Auftraggebenden eine Entscheidungsunterstützung. «Wir haben nicht den Anspruch, für jedes Problem die ideale Lösung zu finden. Wir versuchen, die Realität so gut wie möglich abzubilden und die Auswirkungen der verschiedenen Szenarien aufzuzeigen.»

So gross wie ein Gymnasium

Die Arbeit an der FHS ist für Harold Tiemessen der «spannendste Job», den er bisher gehabt hat. Er fühlt sich denn auch pudelwohl an der Hochschule. «Wie in einer Grossfamilie», ergänzt der verheiratete Familienvater mit einem Augenzwinkern und erzählt, dass die FHS in etwa so gross sei wie das Gymnasium, das er in den Niederlanden besucht habe. «Die Atmosphäre hier ist hervorragend, die Menschen sind motiviert und arbeiten gerne. Das spürt man.» Er ist dankbar für den «Zufall» von damals. «Dass mich die Arbeit interessiert, konnte ich gut abschätzen, nicht aber wie die Atmosphäre ist. Ich habe Glück gehabt.»

Mein Job ist die ideale Kombination aus koordinativem Denken und kreativem Handeln.